Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
Vom Netzwerk:
schmerzverzerrte Stöhnen seines Bruders ließ ihn innehalten.
    »Steckst du fest?«, erkundigte er sich.
    »Hohent och.«
    Milo entschloss sich abzuwarten, bis sein Bruder aufhörte, in Rätseln zu sprechen. Der gute Vorsatz währte jedoch nicht allzu lange.
    Die mehr als nur unglückliche Situation begann mit einem leichten Druck auf Milos Schulter. Bonne schien irgendwo Halt gefunden zu haben. Das Gewicht des Halblings zog zwar immer noch an dem Seil in den Händen seines Bruders, doch merklich leichter als zuvor. Milo spürte etwas auf der rechten Schulter, doch bevor er den Kopf zur Seite drehen konnte, fegte ihm ein buschiges rotbräunliches Fellbüschel durchs Gesicht und löste einen Niesanfall bei ihm aus. Als der Anfall vorüber war und Milo durch die tränenverschwommenen Augen wieder etwas sehen konnte, hatte sich der ungebetene Gast bereits wie ein Akrobat auf das straff gezogene Seil in seinen Händen geschwungen. Ein Gewitterhörnchen balancierte gekonnt auf dem Hanfstrang und beobachtete Milo neugierig. Gewitterhörnchen waren kleine rotbraune Baumbewohner, die weder besonders schmackhaft noch scheu waren. Ihren Namen verdankten sie dem außerordentlichen Gespür für heranziehendes schlechtes Wetter. Stunden bevor grelle Blitze vom Himmel zuckten und Donner die Luft erfüllte, konnte man zusehen, wie sich Dutzende von Gewitterhörnchen von den Bäumen stürzten; unter Zuhilfenahme ihrer fellbespannten Hautlappen zwischen Vorder- und Hinterläufen segelten sie dann zu Boden, um sich zwischen Baumwurzeln einen geschützten Platz zu suchen.
    »Verschwinde, du Nager, und such dir ein paar Nüsse«, zischte Milo das Gewitterhörnchen an.
    Der kleine quirlige Waldbewohner schien nur wenig Lust zu haben, seinen Wintervorrat weiter aufzustocken. Vielmehr wirkte er daran interessiert, ein weiches und wohnliches Nest zu bauen, um einen vermeintlichen Partner zu beeindrucken. Der Düsterkrallenwald bot eine schier unendliche Auswahl an verschiedenen Baumaterialien für Nagernester, doch dieses Gewitterhörnchen schien sich entschlossen zu haben, ausschließlich Hanf für den Bau zu verwenden.
    Milo musste hilflos mit ansehen, wie das rotbraune Fellbüschel ihn frech anstrahlte, die Ohren anlegte und sich eine geeignete Stelle zum Anknabbern erschnüffelte.
    »Unterstehe dich, du Rattenzahn«, brüllte Milo. »Lass sofort das Seil los.«
    »Hohent och«, hallte es wie ein Echo vom Rande der Schlucht.
    Das Gewitterhörnchen blieb unbeeindruckt und widmete sich weiterhin seiner Aufgabe der Nistmaterialsuche. Mit den kleinen spitzen Zähnen nagte es an dem Hanfseil herum und hatte schnell die ersten losen Fäden zwischen den Vorderpfoten. Hektisch zerrte es daran herum, um sie aus dem Geflecht zu lösen und sich die Fasern in die Backen zu stopfen.
    Milo beschlich ein ungutes Gefühl, was bei einem Halbling schon etwas zu bedeuten hatte. Durch die knifflige Lage seines Bruders zur Untätigkeit verbannt, zerrte und zog Milo an dem Seil herum, um das Hörnchen zu verscheuchen.
    »Lass endlich los«, schrie er den Nager an, was aber lediglich zur Folge hatte, dass das Tier die Ohren erneut anlegte, sich fester an den Strang klammerte und eilig weiternagte.
    »Hohent och.«
    Milo wusste sich nicht anders zu helfen, er tobte wie ein Gefesselter, wälzte sich hin und her, zerrte an dem Seil und warf den Kopf in alle Richtungen.
    Dem Gewitterhörnchen schien dieses Spiel zu gefallen. Herausfordernd starrte es Milo an und gab dabei amüsierte Quietschlaute von sich, während es den buschigen Schwanz gen Himmel reckte.
    »Na warte!«, keuchte Milo und verlagerte sein Gewicht so, dass er ein Bein freibekam.
    Unruhig belauerte das Gewitterhörnchen den Halbling vor sich, als der das Bein anwinkelte und den Fuß direkt unter dem Nager postierte.
    »Letzte Chance«, murmelte Milo und zog die Augenbrauen hoch.
    Halblinge liebten die meisten Bewohner des Waldes. Insbesondere solche, die von ihrer Größe oder dem Naturell eher zu den Beutetieren zählten. Vielleicht empfanden sie die kleinen Tiere als Verbündete in einer Welt aus Riesen. Doch egal, wie mickrig und niedlich jemand war, ein Halbling ließ sich nicht von ihm auf der Nase herumtanzen.
    »Du hast es nicht anders gewollt«, flüsterte Milo und trat zu.
    Er erwischte das Gewitterhörnchen mit dem breiten Spann seiner übergroßen Füße und katapultierte den Nager senkrecht in die Höhe. Das freche Quieken des Hörnchens wurde zu einem Pfeifen und erinnerte entfernt an

Weitere Kostenlose Bücher