Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)
wird mich Frengata vierteilen!«
»Keine Sorge.« Beschwingt machte sich Dimdur auf den Weg, verließ auch diesmal ungesehen das Dorf und eilte dann den Berg hinab. Selbst wenn er über Nacht fortblieb, würde ihn vermutlich niemand vermissen, denn nach den anstrengenden Übungskämpfen pflegten sich seine Clanbrüder zu betrinken und mit ihren glorreichen Siegen zu prahlen – etwas, wobei Dimdur nicht mithalten konnte.
Dimdur wusste genau, wo die ersten Elfensiedlungen lagen. Weiter unten im Tal, von dichten Laubwäldern verborgen in den Hügeln, die weniger den harschen Winden ausgesetzt waren als die Zwergenhöhen. Unterwegs plagten Dimdur dann doch noch Zweifel an der Durchführbarkeit seines Planes, aber er wollte seinen Vater nicht schon wieder enttäuschen.
Die Abenddämmerung war hereingebrochen, als er das erste Elfendorf entdeckte. Prächtige Bauten aus dem grauen Stein der Berge schmiegten sich an Felswände oder waren sogar um mächtige alte Bäume herumgebaut. Einige Elfen wandelten noch in der Abenddämmerung umher, aber bald begaben sie sich auf ihren Versammlungsplatz und stimmten melodische Gesänge an, denen Dimdur normalerweise gerne lauschte, aber heute hatte er etwas anderes vor. Geduckt schlich er zu einer weitläufigen Lichtung, auf der, wie er schätzte, dreißig schlanke, zierliche Pferde grasten. Sein Herz klopfte, als er sein kleines Messer zog. Beinahe wäre er wieder umgedreht, aber dann nahm er doch all seinen Mut zusammen und ging auf die braune Stute zu. Sie war größer, als er sie in Erinnerung gehabt hatte, überragte ihn annähernd um das Doppelte. Er wollte fliehen, aber dann sah sie ihn mit sanften braunen Augen an und schnaubte leise.
»Ich benötige nur ein kleines Stück von deinem hübschen Schweif«, sagte er atemlos und streckte seine zitternde Hand aus. »Du hast doch genügend, aber ich, ich habe keinen Bart, und wenn ich mir deine Haare mit Bronks Kleister ins Gesicht klebe, kann mein Vater stolz auf mich sein, wenn die Krieger der Zwergenclans zu meiner Geburtstagsfeier kommen.«
Dimdur erschien es beinahe, als würde die Stute ihn verstehen. Sie rührte sich nicht, beobachtete ihn nur. Vorsichtig nahm Dimdur die weichen, aber zugleich auch festen Haare ihres Schweifes in die Hand, dann begann er langsam zu säbeln. Als die Stute sich weiterhin nicht bewegte, wurde er mutiger. Sie stets im Blick haltend, vollendete er seine Arbeit und schlich dann eilig durchs Gebüsch davon, bevor ihn am Ende noch jemand entdeckte.
Das hatte ja hervorragend funktioniert, Dimdur war stolz auf sich.
An einer Quelle betrachtete er sich in dem natürlichen Wasserbecken, in welches diese sich ergoss. Winzige bunte Fischchen schwammen darin umher, aber dennoch konnte er sich in der glatten Wasseroberfläche recht gut erkennen. Seine Haare waren dicht und buschig, so wie bei vielen Zwergen, auch über seine ausgeprägten Augenbrauen durfte er sich nicht beschweren. Aber dann fuhren seine Finger über sein glattes Kinn, und er schüttelte den Kopf. Warum nur strafte ihn Grambûr? Kurz entschlossen holte er den Tiegel mit Bronks Klebepaste hervor, strich sich diese großzügig auf Wangen, Kinn und Oberlippe und drapierte anschließend die langen Pferdehaare darauf, bis er eine dichte, üppige Schicht Barthaare vorweisen konnte. Fürs Erste zufrieden, nickte Dimdur, stand auf – und entdeckte auf einmal rechts der Quelle auf einem Stein, hübsch mit Blumen und Moos geschmückt, einen Laib Brot und goldgelben Käse. Vermutlich war dies ein Opferstein für die Geister des Waldes. Sein Blick streifte umher. Er lauschte, doch er war noch immer allein. Unschlüssig rieb er sich seine Nase, zögerte kurz, und packte dann hastig die Leckereien in seine Tasche. Ganz sicher waren die Geister des Waldes nicht so hungrig wie er und würden ihm dieses eine Mal verzeihen.
Zufrieden mit sich und der Welt, lag Dimdur kurz darauf auf einem Hügel im Sternenlicht und kaute an dem köstlichen Nussbrot der Elfen herum, welches er sich von ihrem Opferaltar stibitzt hatte. Neben sich lag der Rest seiner Trophäe, ein gewaltiges Büschel von dunkelbraunen Pferdehaaren. Er hatte sich gleich einen größeren Vorrat angelegt und dabei an seine beiden knapp zwanzig Winter alten Vettern gedacht, die sich sicher auch darüber freuen würden, angemessene Gesichtsbehaarung zu tragen, denn bei ihnen ließ der Bartwuchs ebenfalls auf sich warten. Schweife von Elfenpferden wuchsen bestimmt rasch – das glaubte Dimdur
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