Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)
dicht, unterbrochen von lauschigen Lichtungen, kleinen Bächen oder Bergseen, an denen man herrlich den Tag verbummeln konnte – und das war es, was Dimdur am liebsten tat. Etwa fünf Meilen weit schlenderte er durch den Wald, griff sich hier eine Hand voll Brombeeren, dort einen essbaren Pilz oder ein paar Nüsse. Anschließend ließ er sich an einem schilfbewachsenen See ins weiche Gras sinken. Träge summten die Insekten an ihm vorbei, eine Libelle ließ sich auf seinem Zeh nieder – seiner Stiefel hatte er sich schon längst entledigt.
Wie im Namen von Grambûr, dem Zwergengott, sollte ihm bis in sechs Tagen ein Bart wachsen? Sollte er einen Zauberer aufsuchen? Eigentlich fürchtete er sich vor dieser Gilde, aber was blieb ihm sonst übrig? Seine Gedanken schweiften zu den Elfen – die trugen keine Bärte, und auch wenn sein Volk die ›blütenfressenden, dürren Waldgespenster‹, wie sein Vater sie immer nannte, nicht sonderlich mochte, fand Dimdur sie doch faszinierend. Anmutig waren sie, hübsch anzusehen – und erst ihre Pferde! Die meisten Zwerge konnten mit Pferden wenig anfangen, und auch Dimdur hatte gehörigen Respekt vor ihnen, aber er fand sie unvergleichlich schön, wenn sie über die Weiden des Elfenreichs galoppierten. Heimlich hatte er sie schon oft beobachtet, und eine dunkelbraune Stute hatte es ihm besonders angetan. Ihr Fell besaß die Farbe seines eigenen wuscheligen Haares. Und ihr langer Schweif, der wie ein Komet hinter ihr herzupeitschen pflegte! Daraus könnte man sich einen wunderbaren Bart machen. Unwillkürlich fuhr Dimdurs Hand über sein glattes Kinn. Moment mal … Eine verrückte Idee setzte sich in seinem Kopf fest, die er zunächst abschütteln wollte, aber gleich der kleinen Mücken, die ihn nun belästigten und ihn immer wieder ins Gesicht stachen, kehrte sie zu ihm zurück. Schließlich erhob sich Dimdur und eilte auf seinen stämmigen Beinen den Pfad hinab ins Dorf. Als er Frengata in seine Richtung kommen sah, versteckte er sich eilig hinter einem leeren Bierfass, denn sie hätte ganz sicher eine Aufgabe für ihn gehabt. Die resolute Zwergin blieb vor Bronks Höhle stehen, und Dimdur konnte ihre Stimme klar und deutlich vernehmen: »Was für garstiges Zeugs hast du denn da gebraut?«
»Ein wirksames Mittel zur Befestigung von … allem«, grummelte Bronk.
»Und was gedenkst du zu befestigen?«
»Das weiß ich selbst noch nicht«, räumte der alte Zwerg kleinlaut ein.
»Pah« – ein Blick über den Rand des Fasses zeigte Dimdur das rot angelaufene Gesicht seiner Großtante – »sieh nur zu, dass du diesen Mist nicht auf deine Kleider kleckerst. Am Ende bin wieder ich es, die alles waschen muss. Männer – Schurken, allesamt Schurken!« Abfällig fuchtelte sie in der Luft herum. »Ständig wollen sie etwas verbessern und machen alles doch nur schlimmer, und wer muss es ausbaden?« So schimpfte sie in einem fort und hörte auch nicht auf, als sie schon außer Sichtweite war.
Dimdur wartete noch einige Atemzüge ab, dann schlich er zu Bronk, der betrübt auf seine verklebte Hand starrte. »Ich hätte eine Verwendung dafür«, grollte er vor sich hin, »man könnte Frengatas großen Mund damit zukleben – das wäre ein Gewinn für den gesamten Clan!«
Dies brachte Dimdur zum Lachen. Ertappt drehte sich Bronk zu ihm um, schätzte Dimdur dann aber offensichtlich nicht als Gefahr ein und grinste sehr breit. »Ist doch wahr, oder nicht?«
»In der Tat«, stimmte Dimdur kichernd zu. »Ähm, also Bronk, könnte ich etwas von deiner Erfindung haben?«
»Du willst doch nicht tatsächlich Frengatas Mund …« Der alte Zwerg riss seine Augen so weit auf, dass sie aus den Höhlen zu quellen drohten, aber Dimdur schüttelte eilig den Kopf.
»Nein, aber ich bewundere deine Erfindung und hätte gerne einen Tiegel voll davon.«
»Ach wirklich?« Stolz streckte sich Bronk. »Du musst wissen, ich habe seit dem vorletzten Vollmond daran gearbeitet.« Sein prüfender Blick schweifte über Dimdur. »Aber du wirst nichts zum Schaden des Clans damit anfangen! Das musst du mir versprechen. Ihr jungen Kerle habt doch nur Blödsinn im Kopf.«
»Ich verspreche es beim Barte meiner Ahnen«, gelobte Dimdur sogleich, denn was er vorhatte, würde zum Nutzen seines Clans sein. Also füllte Bronk – äußerst vorsichtig – etwas von dem zähen, klebrigen Brei in einen hölzernen Tiegel. »Sieh nur zu, dass er fest verschlossen bleibt. Wenn das Zeug ausläuft und deine Kleider verschmutzt,
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