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Große Kinder

Große Kinder

Titel: Große Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oggi Enderlein
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Mutter auf der ganzen Welt war, durchaus noch andere Mütter mit anderen Erziehungsstilen gibt.
    Um diese für uns Erwachsenen so banale Wahrheit zu erfassen, muss man die Fähigkeit entwickeln, die eigene Situation ein bisschen von außen anzusehen und mit anderen zu vergleichen. Ist das nicht ein enormer Schritt im Vergleich zu vorher?   – Die Fachleute sagen, das Kind verlässt jetzt seinen kleinkindlichen Egozentrismus.
    Auch im sozialen Umgang mit den Freunden macht sich diese neue Perspektive bemerkbar. Wenn es zum Beispiel darum geht, dass man sich mit einem Freund zum Spielen verabredet hat, aber nicht mehr so große Lust hat hinzugehen, gilt für Kinder unter etwa 7   Jahren ganz einfach das »Gesetz«: »Was man versprochen hat, muss man auch halten.« Das ist eine »Erfindung« von Erwachsenen, die für anständige Kinder genauso verbindlich ist wie die Regel: »Nach dem Spielen und vor dem Essen Händewaschen nicht vergessen.« Was das alles mit dem anderen Kind zu tun hat, interessiert kleine Kinder nicht und sie können es auch noch nicht verstehen.
    Mit ungefähr 7   Jahren »sehen« die Kinder plötzlich von sich aus auch das andere Kind, wenn sie mit dem Gedanken spielen, ihr Versprechen, zum Spielen zu kommen, nicht zu halten. Ganz bildlich stellen sie sich vor, wie es vielleicht am Fenster steht und vergeblich wartet. Das ist eine neue Fähigkeit, denn auf einmal spürt das Kind, dass es dem anderen durchaus etwas ausmacht, wenn es sitzen gelassen wird.
    Der nächste Schritt kommt dann mit etwa 9   Jahren: Da fangen die Kinder an, sich zu überlegen, was der andere wohl über sie denkt, während er am Fenster steht, wütend ist und wartet. Sie stellen sich vor, dass er wahrscheinlich zu sich sagt: Mit der treulosen Tomate will ich nie wieder spielen, der ist nicht mehr mein Freund, wenn er sein Versprechen nicht halten kann. Kinder verstehen also erst mit ungefähr 8, 9   Jahren, dass man sich letztlich selbst schadet, wenn man nicht zuverlässig ist und sein Versprechen nicht hält. Siebenjährige sind dafür noch zu jung.
    Gerade im Alter zwischen etwa 7 und 10   Jahren entwickelt sich das soziale Verständnis der Kinder in vieler Hinsicht enorm. (Monika Keller hat dazu mit ihrem Buch
Moralische Sensibilität
eine neuere, aufschlussreiche Untersuchung veröffentlicht.) Deshalb ist es für Kinder ja so wichtig, dass sie viel zusammen sein und oft miteinander spielen können. Sie brauchen sich gegenseitig, um sich zu entwickeln und innerlich zu wachsen.
    Freundschaften sind zunächst in der Regel Einzelfreundschaften. Freundschaften, die wechseln oder von denen es gleichzeitig mehrere nebeneinander gibt. Oft haben die verschiedenen Freundschaften ganz spezielle Aufgaben: Mit dem einen Freund kann man vortrefflich Fahrrad fahren, mit dem anderen unbekannte Gefilde auskundschaften, mit der einen Freundin kann man wundervoll Verkleiden spielen und mit deranderen ausgiebig Klingelstreiche machen   ... Gleichaltrige Klassenkameraden haben dabei einen unschätzbaren Vorteil: Man wird von ihnen weder über- noch unterfordert, was man von Lehrern, älteren oder jüngeren Kindern nicht unbedingt behaupten kann.
    Noch ist es auch selbstverständlich, dass Mädchen und Jungen zusammen spielen. Sie beginnen aber zu entdecken, dass sich auch ihre Generation in zwei Teile teilt, dass Kinder Jungen
und
Mädchen sind. Natürlich wissen auch Kindergartenkinder, dass es Jungen und Mädchen, Männer und Frauen gibt. Untereinander fühlen sich die Kinder aber noch als Einheit. Für Siebenjährige hat die Erkenntnis, ich gehöre zur Gemeinschaft der Mädchen, Micha und Olli gehören zu den Jungs, einen ganz neuen Stellenwert. Das ist, wie wenn aus einer großen Seifenblase auf wundersame Weise zwei werden.
    Siebenjährige machen das zum Thema. Überall auf der Welt, wo Jungen und Mädchen gemeinsam in die Schule gehen, gibt es das Pausenspiel »Jungen fangen Mädchen« und »Mädchen fangen Jungen«. Überall beginnen sich die Jungen in einer Ecke und die Mädchen in der anderen zusammenzurotten. Überall fangen Jungen an, Mädchen zu ärgern, ihnen Stifte wegzunehmen, sie an den Haaren zu ziehen, und überall empören sich die Mädchen zutiefst über die gemeinen Jungen. Dennoch und gerade so spielen sie zusammen.
    Die neuen Perspektiven und die Gefühle
    Wenn man entdeckt, dass alle Dinge auf der Welt zwei Seiten haben, wird das Leben zwar spannender, aber keineswegs einfacher. Ein Beispiel mit

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