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Große Kinder

Große Kinder

Titel: Große Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oggi Enderlein
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Gummibärchen:
    Ein Kindergartenkind, das sich ein Gummibärchen aussuchen darf, mag vor der Entscheidung stehen, ob es das gelbeoder das rote wählen soll. Es wird sich für das entscheiden, von dem es sich mehr »angelacht« fühlt, es wird das nehmen, das einfach »schöner« aussieht.
    Bei etwa Siebenjährigen kann die Entscheidung erheblich komplizierter werden. Etwa so: Rot ist zwar meine Lieblingsfarbe, aber das rote Gummibärchen schmeckt nach Kirsche, und Kirsche mag ich nicht so gern wie Ananas. Aber Ananas ist gelb und Gelb gefällt mir nicht. Entscheidend ist, welches Gefühl stärker wiegt: Rot ist wunderschön! Oder: Ananas schmeckt einfach am allerbesten! Aus diesem Widerstreit der Gefühle scheint es zuweilen keinen Ausweg zu geben, und manche Kinder stehen in diesem Alter ständig und »stundenlang« vor immer neuen schwierigen Entscheidungen.
    Oft geht die Verwirrung der Gefühle sogar noch weiter. Besonders wenn andere Kinder im Spiel sind. Nehmen wir eine Geburtstagsfeier, bei der sich jedes Kind ein Gummibärchen aussuchen darf: Soll ich Rot nehmen, oder Gelb, Kirsche oder Ananas? Allerdings hat Micha gerade ein rotes Gummibärchen genommen und da ich Michas Freund sein will, sollte ich vielleicht doch lieber auch das rote nehmen, Kirschgeschmack hin oder her. Und natürlich macht Sabine es genauso und Christian und Olli und   ... alle. Bis alle roten Gummibärchen weg sind und Micha, mit dem alle gut Freund sein wollen, bei der nächsten Runde entscheidet, welche Farbe als Nächstes genommen wird. Die Situation hat sich unvermittelt gewendet. Es geht nicht mehr um Gummibärchen, nicht mehr um die Gefühle, die mit Rot oder Ananasgeschmack zusammenhängen, sondern um soziale Gefühle, die mit Freundschaft, Gemeinschaft, mit Dazugehören oder Ausgeschlossensein zu tun haben. So kommt es, dass Kinder ab etwa 7   Jahren in einer zunächst vollkommen harmlosen, unverfänglichen Situation mir nichts, dir nichts außer Rand und Band geraten können,weil sie eine andere, unerwartete Gefühlsseite der Situation entdeckt haben. Ist das nicht phänomenal?
    Was können Erwachsene tun?
    All das Neue, das jetzt möglich wird, fasziniert, fordert heraus, regt an   – und kostet Kraft!
    Siebenjährigen, die an der Schwelle zu einer neuen, großen fremden Welt stehen, tut es besonders gut, wenn sie mit Erwachsenen zusammenleben, die ihnen zeigen, wie die Dinge auf der Welt hergestellt werden und wie sie funktionieren.
    Wenn Kinder Eltern haben, die gelegentlich Brot selbst backen, die dem Kind eine Puppe und die dazugehörenden Kleider nähen, vielleicht auch die Schuhe dazu anfertigen und für den Teddy einen Rucksack, die gemeinsam mit den Kindern töpfern, einen kleinen Teppich für die Puppenstube weben, mit ihnen kochen und backen und sie an den handwerklichen Arbeiten im Haus beteiligen, erleben die Kinder unbewusst, dass man alles, was wirklich notwendig ist, notfalls selbst herstellen kann und dass man nicht zur Passivität und zum Konsum verurteilt ist. Das ist eine sehr ermutigende Lebenserfahrung!
    Dazu gehört allerdings, dass die erziehenden Erwachsenen Geduld, Gelassenheit und Zuversicht aufbringen. Sie müssen lernen, Kinder Dinge selbst machen zu lassen und es auszuhalten, dass dabei manchmal etwas schief geht. Entscheidend für das Kind ist, dass es die Erfahrung machen kann: Das, was ich tu, ist wichtig und nicht nur »aus Spiel«   – wenn es zum Beispiel einige Maschen an dem Pullover, den die Mutter strickt, selbst stricken darf, oder wenn es an dem Stuhl, den der Vater streicht, eine Seite ganz allein anmalen darf. Sich auszuprobieren, dabei Fehler machen zu dürfen und sich dennoch von denErwachsenen ernst genommen zu fühlen, ist in diesem Alter so wichtig wie vitaminreiche Kost. (Ein Tipp: Wenn Sie finden, dass sich Ihr Kind ungeschickt anstellt oder zu langsam ist, dann versuchen Sie das, was das Kind gerade tut, mit der linken Hand zu machen, falls Sie Rechtshänder sind. Dann spüren Sie, wie es Ihrem Kind gerade geht.)
    Kinder, die dazu ermutigt werden, praktische Dinge selbst anzupacken, werden sich in den nächsten Jahren selbtsicherer mit der Welt auseinander setzen und mit mehr Phantasie, Geschick und Improvisationsgabe spielen und werken.
    Siebenjährige können aber sehr gut ohne Erwachsene spielen. Erfahrungsgemäß finden sie noch ganz allein die Beschäftigungen, die sie in ihrer geistigen, körperlichen und sozialen Entwicklung weiterführen. Sie tun, wenn sie in

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