Große Liebe Desiree
behauptet habe, Ihnen den Hof machen zu wollen, habe ich von Jeremiah Sparhawk wohl nichts zu befürchten. Träumen Sie schön, Miss Sparhawk.« Rasch öffnete er die Tür zu seiner Kajüte und ließ Désirée schäumend vor Wut auf dem Gang zurück. Einen Augenblick später hörte er, wie ihre Tür zugeschlagen wurde mit einem Knall, der die Geräusche von Meer und Wind übertönte.
Voller Abscheu fluchte Jack vor sich hin. Er zog seinen durchnäßten Mantel aus und warf ihn auf den Boden. Dann tastete er nach einem Feuerstein und entzündete die Kerze in der kleinen Laterne, die am Querschott festgeschraubt war. Die Kabine war so klein, daß er kaum Platz für seinen Koffer hatte, und mit einem Stöhnen zwängte er sich auf die enge Koje, um seine Stiefel auszuziehen. Nun, er wollte Abstand zu Désirée, und er hätte kaum einen geeigneteren Weg wählen können, um dies zu erreichen. Sie hatte recht, verdammt. Kein Mann von Ehre hätte die Zukunftsaussichten einer Lady so freimütig besprochen, schon gar nicht in ihrer Hörweite.
Er langte in seinen Koffer und holte eine Flasche Sherry hervor, die er mit Désirée hatte teilen wollen. Dafür gab es jetzt keine Möglichkeit mehr, und da er sich entschieden nicht wie ein Gentleman vorkam und zu müde war, sich darum zu kümmern, zog er den Korken heraus und trank einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Der Wein schmeckte süßer, als er es mochte, und zu süß, um seinen Ärger zu lindern, und als es an der Tür klopfte, brachte er nur ein Knurren hervor.
Nachdem sie in die Kajüte geschlüpft war, war Désirées erster Impuls zu flüchten. Im dämmerigen Licht der einen Kerze sah Kapitän Herendon wie ein wildes Tier aus, das sie zu verschlingen drohte, und nicht wie ein Lord, der er zu sein behauptete. Er lag auf der Koje mit einer Flasche in der
Hand, seine Augen waren vor Erschöpfung rot gerändert, und sein Kinn war stoppelig von einem Dreitagebart. Aber vor ihr lagen noch viele Wochen, die sie in Begleitung dieses Mannes verbringen mußte, und sie würde alles nur noch schlimmer machen, wenn sie jetzt nicht mehr mit ihm sprach, solange sie die Möglichkeit dazu hatte.
»Auf ein Wort, Kapitän Herendon, wenn Sie einverstanden sind.« Behutsam trat sie auf die eine Seite des nassen Mantels, der am Boden lag. Jack machte keinerlei Anstalten aufzustehen, und sie erwartete es auch nicht. Es gab keinen Stuhl, auf den sie sich setzen konnte, und sie hatte nicht die Absicht, ihm auf der Koje Gesellschaft zu leisten. So blieb sie stehen und zog nur den Schal etwas fester um sich. Sie sah zu Boden, um dem eigenartigen Ausdruck in Jacks Augen nicht zu begegnen, und zu spät fragte sie sich, warum sie sich nicht die Zeit genommen hatte, sich richtig anzuziehen. »Wenn Sie Kapitän Fox zugehört haben, dann hören Sie bitte auch mir zu.«
Er senkte die Flasche und lächelte. »Ich höre zu.«
»Was Kapitän Fox und andere über Jeremiah sagen, ist ungerecht«, begann sie ruhig. »Es war genauso mein Fehler wie seiner. Ich war erst sechzehn, als ich Robert Jamison traf, und weil er der Cousin einer meiner Freundinnen war, sahen wir uns öfter, als es in diesem Alter gut ist. Robert war einundzwanzig. Erster Maat auf einem Walfänger mit der Aussicht, nach der nächsten Reise Kapitän zu werden, und ich war geschmeichelt durch seine Aufmerksamkeit. Er machte schöne Versprechungen von einer gemeinsamen Zukunft, und ich glaubte ihm. Aber er war nicht - nicht nett, und er trennte sich von mir, und Jeremiah war außer sich, als er davon erfuhr.«
Sie verkrampfte die Finger, die unter ihrem Schal verborgen waren, als sie daran dachte, wie ihr Bruder ihr ganz ruhig beim Mittagessen gesagt hatte, daß Robert Jamison sie nicht mehr belästigen würde. Erst am nächsten Tag hatte sie zu ihrem Entsetzen erfahren, daß Jeremiah Robert aus einer Taverne auf die Straße gezerrt und ihn bewußtlos geschlagen hatte. Er hatte ihm die Nase und drei Rippen gebrochen. Einzig der Umstand, daß ihr Großvater sich beim Sheriff für ihn einsetzte, hatte Jeremiah vor dem Gefängnis bewahrt.
»Aber Jeremiah tat es aus Liebe, nicht aus Eifersucht oder Stolz«, fuhr sie traurig fort. »Niemand verstand das. Er liebt mich, und es tut ihm weh, wenn man mich verletzt. Er hat sich auf diese Art gewehrt, weil er es anders nicht konnte.«
Dabei hatte Jeremiah das Schlimmste nicht einmal gewußt. Keiner aus ihrer Familie wußte davon, und sie betete jeden Abend, daß sie es nie erfahren
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