Große Liebe Desiree
Schwester auf, als wäre sie aus reinem Gold, vor allem seit der alte Kapitän tot ist. Obwohl sie so hübsch ist und ihren Anteil am Familienvermögen hat, hat das arme Mädchen nie einen Verehrer gehabt außer dem einen, dem Walfängermann aus New Bedford. Er hat ihr schon gefallen, denke ich, es war auch von Heirat die Rede. Aber dann kehrte Jeremiah zurück und hörte, wie der Mann aus Bedford damit prahlte und Sachen erzählte, die ein Gentleman nicht weitersagt, und da hat er, na, er hat ihn beinahe geschlachtet und was übrigblieb mit der nächsten Flut rausgeschickt.«
Jack erinnerte sich an Désirées Reaktion, als er sie in der Kirche nach ihren Verehrern gefragt hatte, und daran, daß der Mann auf der Werft sie wegen des Schicksals des Walfängers verhöhnt hatte. »Armes Mädchen, in der Tat.«
»Jawohl. Es gibt viele in Providence, die glauben, sie wird als alte Jungfer sterben, und alles wegen ihres Bruders. Ich hätte sie nie an Bord genommen, wenn nicht Sie und Mr. Macaffery zwischen mir und Jeremiah stehen würden.« Fox beugte sich vor, um an Jack vorbei den Gang entlangzusehen zu der schmalen Tür von Désirées Kajüte. »Vielleicht lasse ich sie für heute in Ruhe. Möglicherweise schläft sie oder ist mit irgendwelchen Frauensachen beschäftigt. Ihnen einen guten Tag, Käpt’n, und schönen Dank für Ihre Hilfe.«
Jack blickte ihm nach, wie er rasch die Leiter zum Deck hinaufstieg. Er floh vor Désirées Quartier, als hätte die Frau die Pest. Nicht, daß er viel besser war, dachte Jack, als er vor ihr er Tür zögerte. Er wollte sie nicht stören und horchte, ob er drinnen irgendein Geräusch hörte, aber es blieb still. Es war spät, beinahe zehn Uhr abends, sie konnte also tatsächlich schon schlafen, wie Fox meinte. Der Wind war abgeflaut, und die Schaluppe lag jetzt ruhiger im Wasser. Vielleicht war dies das erste Mal seit fünf Tagen und Nächten, daß sie zur Ruhe kam.
Aber bevor er gehen konnte, flog die Tür vor ihm auf.
»Was wollen Sie, Kapitän Herendon?« erkundigte sich Désirée und legte sich einen Schal um die Schultern.
»Nur Ihnen alles Gute wünschen für Ihr Befinden auf der Reise.« Eine wenig überzeugende Antwort, aber die beste, die Jack auf die schnelle einfiel. Er war schon froh, daß er sie ohne Stammeln herausgebracht hatte. Désirée trug ein der Mode entsprechend tief ausgeschnittenes Kleid, dessen dunkelblaue Farbe die Haut ihres Halses und ihrer Brust sogar in dem Dämmerlicht des Zwischendecks samtig schimmern ließ. In der einen Hand hielt sie eine Bürste, und ihr Haar war nicht mehr aufgesteckt, es hing wie schwarze Seide um ihre Schultern. Die unbeabsichtigte Vertrautheit, die das lose herabhängende Haar vermittelte, bezauberte Jack, und er spürte das Bedürfnis, die Strähnen um seine Finger zu wickeln, Désirée an sich zu ziehen, bis er ihre zarte Haut berühren konnte, und noch einmal das berauschende Versprechen ihres Mundes zu kosten.
»Fünf Tage habe ich ganz gut ohne diese Wünsche überstanden«, sagte sie unfreundlich und ohne sich darum zu kümmern, ob sie ihn verletzte. »Und wenn Sie sie bisher für sich behalten haben, brauche ich sie jetzt auch nicht mehr. Nein, am besten wird es sein, Sie behalten die guten Wünsche und alles Glück bei sich, für den Fall, daß Sie Jeremiah begegnen, Sie und Kapitän Fox!«
An Küsse dachte Jack jetzt nicht mehr, er runzelte die Stirn und richtete sich zur vollen Größe auf, so weit die niedrigen Deckenbalken es zuließen. Auch wenn sie gehört haben sollte, was Fox gesagt hatte, gab es keinen Grund, zu einem Schlag gegen ihn auszuholen. »Glauben Sie wirklich, ich hätte das nötig?«
Leicht verwirrt sah Désirée ihn an. »Hätten was nötig?«
»Gute Wünsche und Glück.« Langsam nahm er den langen Schal ab, der seinen Hut bei dem starken Wind auf dem Kopf gehalten hatte. Kleine Tropfen Seewasser spritzten auf Désirées blaues Kleid. »Anscheinend haben Sie gehört, was Kapitän Fox gesagt hat.«
»Jetzt behaupten Sie, ich sei im Unrecht, obwohl Sie getratscht haben?« Sie errötete und wollte nicht zugeben, daß sie gelauscht hatte.
»Fox meinte es als Warnung, Madam, nicht als Tratsch.«
Sie gab ihm das Gefühl, wie ein schäbiger Tagedieb beim Klatsch ertappt worden zu sein, und er war irritiert. Wußte sie nicht, daß Gentlemen niemals tratschten? »Wenn es stimmt, was Fox sagte, dann ist Ihr älterer Bruder nur beunruhigt bei Männern, die um Ihre Hand anhalten. Da ich niemals
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