Große Liebe Desiree
steif ohne jedes Gefühl für die Bewegung des Schiffes unter seinen Füßen. »Ich bin jedenfalls erleichtert, daß Sie das arme Kind noch nicht in Eisen gelegt haben. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Désirée. Denken Sie an das, was ich Ihnen sagte. Wir werden uns bald wieder sprechen.«
Nachdem Macaffery gegangen war, warf Jack Hut und
Handschuhe auf den Tisch und begann, seinen Mantel aufzuknöpfen. »Hat Harcourt dich hereingelassen?«
Sein Gleichmut ließ nichts von den Gefühlen erkennen, die in ihm tobten, nur weil er sie unerwartet wiedersah. Er hatte so oft an sie gedacht, daß er sich fragte, ob er wohl träumte. Aber in Träumen gab es kein klares Morgenlicht wie dieses, in ihnen gab es nicht diese frischen Wangen und roten Lippen, die leicht geöffnet waren, nicht diese großen grünen Augen, nicht diese weiche blaue Wolle, die sich um ihre Hüften schmiegte.
»Entschuldige. Ich weiß, ich sollte genausowenig hier sein.«
Nervös stand sie auf. »Ich werde gehen.«
»Nein, bleib.« Er streifte den Mantel ab und ließ ihn achtlos auf den Boden fallen. Eilig trat er auf sie zu. Nun, da sie da war, konnte er sie nicht fortlassen.
Sie zögerte, warf einen Blick auf die Tür zu ihrer Kajüte. Dort war ihre Zuflucht, falls sie weglaufen wollte. Aber diesmal wollte sie keine Zuflucht. Gegen alle Vernunft, gegen jede Erfahrung wollte sie Jack. Ihr wurde warm unter seinem Blick, sie fühlte sich wie berauscht. Sie hielt den Atem an, ihre Kehle war wie zugeschnürt. Diesmal würde sie nichts mit Worten zerstören.
Er blieb dicht vor ihr stehen. »Bitte, Désirée. Bleib. Bitte.«
Dies war kein Befehlen. Es war eine Bitte, beinahe ein Flehen, und obwohl Désirée den Unterschied merkte und wußte, welche Überwindung es ihn kostete, konnte sie noch immer nicht antworten. Er war ihr so nahe, daß sie den Salzgeruch in seinen Kleidern wahrnahm, und mit schmerzhafter Deutlichkeit erinnerte sie sich daran, wie es war, seine Lippen auf ihren zu spüren.
»Macaffery hat dich durcheinandergebracht, nicht wahr?«
Sie schüttelte den Kopf und hoffte, daß Jack Macafferys derbe Vorschläge nicht mit angehört hatte. Ein so ehrenwerter Gentleman wie Jack würde das nie verstehen. »Er ist ein unangenehmer Mann, das ist alles.«
»Er ist ein unverschämter, gemeiner Kerl von einem Anwalt, und ich hätte ihn am besten in Halifax zurückgelassen oder noch besser in Providence«, erklärte Jack. »Ich werde ihn an das nächste Schiff übergeben, dem wir begegnen, ganz egal, wohin es fährt.«
»O nein!« rief Désirée in Erinnerung an Macafferys Drohungen. Sie zweifelte nicht daran, daß er sie wahr machen würde, vor allem nicht, wenn Jack ihn von der Aurora vertrieb. Er würde es ihr zuschreiben, natürlich, und was er tun würde, was er Jeremiah und Großmama erzählen würde . ..
»Warum nicht, um Himmels willen?« fragte Jack. Er hätte zu gern gewußt, warum schon die Erwähnung von Macafferys Namen sie so aufregte. Er hatte erwartet, daß sie erleichtert sein würde, wenn er den Anwalt wegschickte, und nicht, daß sie ihn verteidigte. »Der Mann ist ein Ärgernis.«
»Anwälte sind immer ein Ärgernis.« Sie versuchte zu lächeln, doch es mißlang. »Ich brauche seine Hilfe, um die Freilassung meines Bruders zu erreichen.«
»Glaub mir, Désirée, du wirst ihn nicht brauchen. Seine Hilfe wäre vor einem englischen Gericht keinen Pfifferling wert. Ich kümmere mich um alles, was du brauchst, um Obadiah zu befreien. Ich versprach es dir schon früher.«
Trotz des Versprechens, das er jetzt erneuerte, konnte sie nicht vergessen, was er im Zorn zu ihr gesagt hatte. »Du hast gesagt, es tue dir leid, daß du jemals mit uns Sparhawks zu tun hattest, und ich kann es dir nicht verübeln. Warum sollte ein Mann wie du sich um Obadiah kümmern?«
»Weil ich es tue, verdammt«, sagte er barsch. »Weil ich mich um dich kümmere.«
Er kam zu ihr und nahm sie in die Arme. Sie wandte ihm das Gesicht zu, und sein Mund fand ihre Lippen. Ihre Zungen berührten sich, und der Ärger, der sie voneinander ferngehalten hatte, schmolz unter der Leidenschaft dieses Kusses dahin.
Er zog sie fester an sich, und sie schien mit ihm eins zu werden. Sie war warm und nachgiebig und süßer, als er es sich in seinen Träumen vorgestellt hatte. Er nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und küßte sie noch leidenschaftlicher. Er schob die Finger in ihr Haar und zog ungeduldig die Nadeln heraus, bis ihr die schwarzen seidigen Wellen
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