Große Liebe Desiree
Offiziere gemacht. So sind kaum noch Männer übrig, die segeln können. Und überhaupt keine Gentlemen wie unser Käpt’n.«
Einer Amerikanerin, wie Désirée es war, erschien Marys Glaube an die Überlegenheit von adeligen Offizieren eigenartig, wenn nicht sogar unangebracht. Wenn die Franzosen mit dem Wunsch, sich von ihrem König zu befreien, einem Irrglauben folgten, was hielt Mary dann wohl, so fragte sich Désirée, von der Revolution gegen ihr eigenes Land?
Mary holte ein fleckiges Tuch aus ihrer Tasche und schneuzte sich geräuschvoll. »Dieser Franzose, der hinter uns her ist, hat es sicher besonders auf Käpt’n Herendon abgesehen, weil er als Fregattenkapitän berühmt ist oder vielleicht auch nur, weil er der Bruder von einem Marquis ist. Der Franzose würde sein Glück machen, wenn er die Aurora besiegt. Aber unser Käpt’n wird ihn gut empfangen. Sie werden schon sehen, Miss. Für einen Gentleman kennt unser Käpt’n ‘ne Menge Tricks.«
Aus weiter Ferne hörten sie ein Grollen, daß sich über dem Wasser fortsetzte. »Sie feuern auf uns«, sagte Mary grinsend, »und haben uns weit verfehlt. Jetzt können sie zählen, eins, zwei...«
Das nächste Wort ging unter im rollenden Kanonendonner der Aurora. Die Explosionen des Pulvers und der Rückschlag der schweren Kanonen auf den Decks über ihnen erschütterten das gesamte Schiff. Désirée preßte sich die Hände auf die Ohren, und ihr Herz hämmerte wild.
Aber Mary grinste nur noch breiter, und wundersamerweise, wie Désirée fand, schlief das Baby ungestört, während der Kanarienvogel verschreckt und verängstigt in seinem Käfig herumhüpfte. »Da ist mein Samuel bei der Arbeit, und es macht einen ganz schönen Lärm, was?« sagte Mary und warf ein Tuch über den Käfig, um den Vogel zu beruhigen. »Ach, wie sehr ich mir wünsche, jetzt oben bei Sam zu sein, um die Funken sprühen zu sehen! Wenn die Kanonen in Ordnung sind, muß es in weniger als zwei Minuten den nächsten Knall geben.«
Aber für Désirée lag nichts Verlockendes in dem ohrenbetäubenden Lärm der Kanonen. Zu leicht konnte sie sich das furchtbare Blutbad vorstellen, das ein solcher Angriff anrichten konnte. Und wieder ,dachte sie an Jack in seiner goldbetreßten Uniform, wie er stolz und allein auf dem Achterdeck stand. Jeremiah hatte gesagt, daß es für einen Mann eine schreckliche Art zu sterben sei.
Aus der Ferne dröhnte das Geschützfeuer der Franzosen, und die Engländer antworteten sofort, schneller, als die Franzosen nachladen konnten. Désirée zitterte bei jedem Kanonenschlag und spürte die Erschütterungen der Explosionen in ihrem Körper. Der beißende Qualm des Schießpulvers war zu ihnen heruntergedrungen und stach in der Nase. Désirée kniff die Augen zu, um sich gegen die nächste Breitseite zu wappnen, so daß sie nicht gleich merkte, daß Mary sie am Arm zog.
»Setz dich zu mir, Lämmchen«, befahl Mary, und als Désirée es tat, legte sie ihr den Arm, der so muskulös wie der eines Mannes war, um die Schultern und zog sie an sich. »Du darfst dich nicht so fürchten. Du liebst einen Mann, der dieses Leben liebt, und du mußt es als einen Teil von ihm ansehen oder dir einen anderen Mann suchen.«
Désirée kämpfte gegen die Panik und klammerte sich an die ältere Frau. »Aber wie können Sie das ertragen, Mary? Fragen Sie sich nicht, ob er getroffen wurde, ob er lebt oder tot ist oder leidet?«
»Natürlich.« Mary wiegte Désirée in den Armen, wie sie es auch mit ihrem Baby getan hatte. »Aber statt mir den Kopf über etwas zu zerbrechen, das ich nicht ändern kann, sage ich meinem Samuel, so oft ich kann, wie sehr ich ihn liebe, damit er es nicht vergißt. Und ich verschiebe es nie auf morgen für den Fall, daß es kein Morgen gibt.«
Die nächste Breitseite erschütterte das Schiff, und Désirée preßte sich eng an Mary. Sie hatte Jack nicht gesagt, daß sie ihn liebte. Dafür war keine Zeit gewesen, und falls er jetzt getötet wurde, würde er sterben, ohne von ihrer Liebe zu ihm zu wissen. Wenn es nun kein Morgen für sie und Jack geben würde?
Schließlich regte sich das Baby und wachte mit einem lauten Schrei auf. Mary nahm es in ihre Armbeuge und versuchte, es inmitten des Gefechtslärms flüsternd zu beruhigen. Désirée, die immer noch zitterte, legte den Arm um Mary in dem Versuch, selbst Trost zu erlangen, indem sie das Kind tröstete. Plötzlich neigte sich das ganze Schiff nach Steuerbord, und Mary blickte auf.
»Sie haben uns
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