Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
völlig verwandelte und die Republik der Monarchie weichen musste, kämpften die Konsuln Octavian, der spätere Kaiser Augustus, und Antonius um die Vorherrschaft in diesem Reich. Dabei kam der Seeschlacht bei Actium eine Schlüsselrolle zu. Zwar gelang es Antonius und der mit ihm verbündeten Kleopatra, die Blockade durch Octavian zu durchbrechen und nach Alexandria zu entkommen, doch es war Octavian, der in einer spektakulären Propagandaaktion seinen Namen unauflösbar mit dem Sieg verband und dafür sorgte, dass der Bürgerkrieg als sein Sieg über einen unrömischen Weichling in Erinnerung blieb. Tatsächlich entschied die Schlacht den Bürgerkrieg. Nach Actium hatte die römische Flotte für ein halbes Jahrtausend zur See keinen ernstzunehmenden Gegner mehr. Und der nunmehr unbestrittene Besitz des Mittelmeeres trug unmittelbar zur Legitimation des entstehenden Kaiserreichs bei.
Die Augusteische Schwelle
ls William Shakespeare über anderthalb Jahrtausende nach der Schlacht von Actium den gewaltigen Konflikt dramatisch zu fassen suchte, legte er einem der Akteure den Satz in den Mund: «Raum für uns beide/war nicht in weiter Welt.»[ 1 ] Und fürwahr, da stritten tatsächlich zwei um den gesamten Erdkreis – oder was man damals dafür hielt. Auf lange Sicht haben sich mit den Namen Octavian und Antonius auch zwei unterschiedliche Vorstellungen davon verbunden, wie das neue römische Weltreich für die nächsten Jahrhunderte geordnet sein sollte: hellenistisch-orientalisch, was damals griechisch-ägyptisch bedeutete, mit dem Kraftzentrum Alexandria als Mittelpunkt, oder okzidentalisch, auf Italien, Iberien und Gallien bezogen, natürlich weiterhin mit Rom als Hauptstadt.
Die Schlacht von Actium wurde in einem Zeitalter der Extreme, den Jahren zwischen 44 v. Chr. und 14 n. Chr., geschlagen, in dem das Römische Imperium politisch völlig verwandelt wurde: Die Republik musste der Monarchie weichen. Damit ging der Übergang von einer Phase der Expansion zu einer der Konsolidierung des Imperium Romanum einher, der auch als «Augusteische Schwelle» bezeichnet wird. Der Übergang von der Expansion zur Konsolidierung gilt als ein besonderer Abschnitt in der Geschichte eines Imperiums, an der im Übrigen viele andere Großreichsbildungen scheiterten.[ 2 ]
Die ersten Jahrzehnte dieser Epoche voll von abgründiger Gemeinheit und Hinterhältigkeit, jedoch auch von überwältigenden Gesten und Gefühlen prägten die Machtkämpfe der Bürgerkriegsgeneräle. Ihnen fielenAbertausende zum Opfer und schließlich auch die Republik, die man bis dahin als die edelste und praktikabelste Form der Herrschaftsausübung angesehen hatte. Von nun an trat an die Stelle kollektiver Entscheidungen die Herrschaft eines Einzelnen, den man Imperator und Augustus nannte. Doch am Ende dieser Kämpfe lebten die Menschen in der Überzeugung, Augustus, der Sieger des letzten Waffengangs, habe der Welt Frieden und Wohlstand gebracht und ein Goldenes Zeitalter heraufgeführt. Aus diesem jahrzehntelangen Ringen ragt eine Schlacht zur See besonders heraus: In Griechenland in der Bucht von Actium, einem «dem Apollo geweihten Platz», tobte am 2. September 31 v. Chr. ein alles entscheidendes Duell zweier Flotten. Das Krachen Hunderter sich dort rammender Kriegsschiffe und das Zischen der Wurfgeschosse kündeten vom Ende einer alten und dem Beginn einer neuen Ära.[ 3 ]
Augustus als Neptun: Die Schlacht von Actium hatte in bildkünstlerischer Hinsicht ein enormes Gewicht, wie man unter anderem an der Glyptik sehen kann. Deren Produkte waren Teil einer weitgreifenden Propagandakampagne. Auf einer heute in Boston aufbewahrten Prunkgemme lenkt Augustus als Gott Neptun mit Dreizack in der Hand seine Hippokampenquadriga direkt über einen hilflos im Wasser treibenden Antonius.
Die Seeschlacht von Actium wurde, ähnlich wie die Schlachten bei Salamis und Mylae, in der Überlieferung in hohem Maße stilisiert. DemSieger gehörte ja nicht nur die Walstatt, sondern auch die Deutung der Ereignisse. Da ist von Verrat die Rede, von Verzauberung und von Drogen. Ungeheuer suggestiv wirkten natürlich Episoden, die sich eng um das Schlachtgeschehen gruppieren: etwa die Geschichte von der Buhlschaft zwischen Antonius und der schönen Kleopatra, die im entscheidenden Moment ihren Geliebten im Stich lässt, um zu fliehen. Antonius, der Orientalin völlig verfallen, soll ihr gefolgt sein, seine Truppen sich selbst überlassend. Doch Flucht und Verrat
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