Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
Zudem schreibt er, dass das
rostrum
, bei dem es sich ja tatsächlich um die Ramme zur Versenkung des feindlichen Schiffes handelte, eine Art metallener Bugfender zum Schutz des Schiffes bei Anprall gegen Klippen sei. Hier zeigt sich, dass man im Westen überhaupt keine Vorstellung mehr davon besaß, wie die Ramme auf Kriegsschiffen ursprünglich eingesetzt worden war. Im Osten verwendete man zwar noch die Terminologie des Rammens, doch bedeuteten sowohl
émbolon –
Ramme oder
emballein –
zu rammen wohl nur noch, den Feind überhaupt zu attackieren.[ 10 ]
Allerdings erlebte die Ramme im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine völlig überraschende Wiederbelebung, weil in der Seeschlacht von Lissa 1866 das Flaggschiff eines der beiden Kontrahenten durch einen beherzten Rammstoß versenkt werden konnte. Dieses «irreführende Experiment», wie der Seetheoretiker Curt von Maltzahn die Schlacht beurteilte, nährte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die Vorstellung, man könne weiterhin Schiffe durch Rammstöße versenken. So blieben paradoxerweise bis in den Ersten Weltkrieg hinein Unterwasserrammsporne ein Konstruktionsmerkmal der großen stählernen Schlachtschiffe, obwohl die sich rasant entwickelnde Fernartillerie, die bald einen Kampf beginn auf eine Distanz von zehn und mehr Seemeilen ermöglichte, eine Annäherung von vornherein ausschloss.[ 11 ]
Die Organisation der byzantinischen Flotte in der Zeit vom 7. bis zum 10. Jahrhundert lässt sich trotz Quellenarmut in groben Strichen skizzieren. Schon ihre bloße Existenz stellte im Europa des frühen Mittelalters eine Besonderheit dar. An der feingegliederten Struktur der byzantinischen Flotte wird deutlich, dass nur eine ausdifferenzierte Staatlichkeit in der Lage gewesen war, dieses komplizierte, aber hocheffiziente Militärinstrument zu schaffen. Anfangs war die Verteidigung der byzantinischen Küsten und der Seewege nach Konstantinopel noch Aufgabe einer zentralen kaiserlichen Flotte. Diese in Konstantinopel stationierten Kriegsschiffe spielten die tragende Rolle bei der Abwehr der arabischen Belagerungen der Hauptstadt. In den 660er Jahren stellte Kaiser Konstans II. (641–668) außerdem die «Männer der Schiffe», die
Karabisianoi
, auf, die einenbeträchtlichen Teil der stehenden Seestreitkräfte des Reiches bildeten. Ihr Einsatzgebiet umfasste die Südküste Kleinasiens von Milet bis Seleucia in Kilikien, die Ägäischen Inseln sowie die byzantinischen Besitzungen im Süden Griechenlands. Das Hauptquartier befand sich ursprünglich auf Samos.
Während in Konstantinopel selbst weiterhin die zentrale kaiserliche Flotte unterhalten wurde, die die Stadt zu beschützen hatte und bei größeren Unternehmungen zur See das Rückgrat der Seestreitkräfte darstellte, wurden mit der Zeit jedoch mehrere, den jeweiligen Themen zugeordnete Regionalflotten gebildet. Die Marine durchlief damit einen ähnlichen Dezentralisationsprozess, wie er die ganze Militärorganisation und Verwaltung seit dem 7. Jahrhundert kennzeichnete. Die meisten Themen mit Küstenstreifen unterhielten nun eigene Schiffsverbände, neben denen sich noch drei separate Seethemen,
themata nautika
, herausbildeten. Die bedeutendsten Verbände stellte das Thema der
Kibyrrhaiotai
, die aus der Flotte der
Karabisianoi
entstanden und die für Verteidigung und Verwaltung der Südküste Kleinasiens verantwortlich waren. Da dieses Thema der seit kurzem muslimischen Levante am nächsten gelegen war, stellte es über Jahrhunderte neben der kaiserlichen Flotte in Konstantinopel die wichtigsten Seestreitkräfte des Reiches.[ 12 ]
Detaillierte Zahlen zu Mannschafts- und Schiffsstärken gibt es aus der frühen Zeit nur selten. Jedoch erfahren wir aus einer Auflistung der Kräfte aus dem Jahr 911, die man für die Expedition zur Rückeroberung von Kreta auf bot, dass die kaiserliche Flotte aus Konstantinopel 60 große Dromonen stellte, die je 230 Ruderer und je 70 Seesoldaten trugen. Dazu kamen 40 kleinere Schiffe mit je 130 bis 160 Ruderern. Die
Kibyrrhaiotai
stellten 15 Dromonen mit 4500 Mann, das Thema von Hellas noch einmal 10 Dromonen mit 3000 Mann. Mit weiteren Kräften wurden insgesamt 112 große Dromonen und 75 leichtere Schiffe mit 34.000 Ruderern und 13.000 Kämpfern mobilisiert, darunter 700 Waräger, Angehörige einer speziellen skandinavisch-russischen Söldnertruppe von hoher Kampfkraft.[ 13 ]
Kallinikos’ zündende Idee
Was den arabischen Seeangriff auf Konstantinopel letztendlich zum
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