Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
dass das Feuer, welches durch die Siphonanlagen gegen die Feinde abgeschossen werden sollte, durch ihre Mäuler hindurchfloss, so dass es aussah, als ob die Löwen und die übrigen Tiere diese Art des Feuers ausspien.»[ 16 ]
Das Hantieren mit hochbrennbaren, ja explosiven Stoffen auf hölzernen Schiffen stellte allerdings auch für die eigene Flotte eine beträchtliche Gefahr dar. Nur bei ruhiger See und nach Lee, also der windabgewandten Seite des Schiffes, ließen sich Siphone einsetzen, ohne dass man riskierte, selbst Feuer zu fangen. Im
Liber Antapodoseos
des italienischen Bischofs, Diplomaten und Geschichtsschreibers Liutprand von Cremona (920–972) erfahren wir, dass bei einem der Flottenangriffe der Kiewer Rus auf Konstantinopel in der Zeit des Kaisers Romanos I. Lakapenos (920–944) die Siphone auf den byzantinischen Schiffen zugleich am Bug, am Heck und an den Seiten eingesetzt worden seien. Und zum Glück, wie er weiter berichtet, ließ Gott «eine Windstille auf dem Meer eintreten. Denn sonst wäre es den Griechen nicht möglich gewesen, das Feuer zu werfen. So aber drangen sie mitten unter die Russen und schleuderten das Feuer nach allen Seiten. Als die Russen das sahen, stürzten sie alsbald aus ihren Schiffen ins Meer und wollten lieber in den Wellen versinken, als im Feuer verbrennen.»[ 17 ]
Das große Geheimnis
Die Zusammensetzung des Brandmittels für das Griechische Feuer wurde von den Byzantinern als Staatsgeheimnis streng gehütet. Nur wenige Fachleute in der nächsten Umgebung des Kaisers kannten sie. Kaiser Konstantin VII. Porphyrogennetos (945–959) stellte in seiner Regierungszeit eine Schrift zusammen, die der Instruktion seines Sohnes und Nachfolgers Romanos II. (959–963) diente. Darin gibt er auch Hinweise zum Griechischen Feuer: «So musst Du auch für das ‹flüssige Feuer›, das durch Rohre abgeschossen wird, Sorge tragen», denn niemals dürften die Geheimnisse seiner Herstellung enthüllt werden, weil es «von Gott durch einen Engel dem großen und ersten christlichen Kaiser, dem heiligen Konstantin, offenbart und beigebracht worden» sei. Der Engel verpflichtet den Kaiser, das Feuer nur im Dienst der Christen und nur in der kaiserlichen Stadt, also Konstantinopel, herzustellen, «auf dass nicht irgendein anderes Volk es übersandt erhält oder in der Herstellung unterwiesen wird». Und er setzte eine Warnung hinzu, dass der Verrat des Geheimnisses den furchtbaren Zorn des Himmels nach sich ziehen werde: «Einmal aber geschah es – denn das Böse findet immer seinen Platz – dass einer unserer Strategen […] ihnen von diesem Feuer gab; und da Gott diese Übertretung nicht ungestraft lassen konnte, kam Feuer vom Himmel herab und verzehrte und vernichtete ihn, als er die heilige Kirche Gottes betreten wollte.»[ 18 ]
Die sorgsame Geheimhaltung von Zusammensetzung und Wirkungsweise des Griechischen Feuers erklärt auch, warum wir nur wenig darüber wissen und die wenigen erhaltenen Nachrichten zumeist aus nichtbyzantinischen Quellen stammen. Seit dem 19. Jahrhundert haben Wissenschaftler immer wieder versucht, mit Experimenten hinter das Geheimnis zu kommen, ohne die Frage endgültig klären zu können. Wahrscheinlich bestand der Brandsatz aus einem hohen Anteil an Roherdöl, das man im Norden des Schwarzen Meers finden konnte. Möglicherweise hat man aus dem Roherdöl auch leichter brennbare Destillate gewonnen; die Technologie dafür war jedenfalls bekannt. Zu dieser Grundsubstanz, die man
nafta
nannte, kamen spezielle Schwefelverbindungen und Harze, die die Substanz besonders klebrig machten. Kalziumoxideoder Magnesiumbestandteile sorgten für das funkensprühende Brennen auf dem Wasser.
Arabern und Bulgaren gelang es zwar wiederholt, solche Waffensysteme zu erbeuten, doch sie schafften es nicht, das System des Griechischen Feuers nachzubauen und mit der Effizienz der Byzantiner zu verwenden. Der letzte belegte Einsatz von Griechischem Feuer erfolgte im Jahr 1187. Vielleicht war bereits der Kreuzfahrersturm von 1204 die Ursache dafür, dass das Wissen über das «Seefeuer» verloren ging. Vielleicht ging aber auch durch fortschreitende Gebietsverluste des Byzantinischen Reiches der Zugriff auf die Förderstätten des begehrten, für die Herstellung des Griechischen Feuers nötigen Erdöls verloren. Seit dem 15. Jahrhundert gehörte ohnehin das Schwarzpulver zu den Aufsteigern unter den Explosivstoffen, weil die damit verschossenen Kugeln auf größere Distanzen
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