Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
mehrere Nachrichten von arabischen Attacken fälschlich miteinander in Verbindung gesetzt hat und seine Bemerkungen also aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Verlauf der historischen Ereignisse nur in groben Zügen übereinstimmen. Die Annahme einer mehrjährigen und zudem kontinuierlichen Belagerung einer riesigen Stadt wie Konstantinopel – die ja nicht allein von einer Flotte erobert werden konnte, sondern nur im Verbund mit einer Armee – mit all den Anforderungen an Heeresorganisation und Truppenversorgung erscheint vor dem Hintergrund der tatsächlichen Möglichkeiten mittelalterlicher Herrscher nur wenig glaubhaft. Selbst das vergleichsweise straff organisierte Reich der Umayyaden dürfte nicht über die wirtschaftlichen Ressourcen verfügt haben, gleichzeitig eine vieltausendköpfige Armee mehrere Jahre ununterbrochen im Feld und eine gewaltige Flotte auf See zu unterhalten.
Sicher ist nur, dass es in den 670er Jahren sowie in den Jahren 717/718 tatsächlich energische Angriffe auf das Byzantinische Reich und seine Hauptstadt gab. Möglicherweise handelte es sich über lange Zeit um eine Blockade, die zur Aushungerung der Hauptstadt und zur Bindung der byzantinischen Kerntruppen dienen sollte. Auf jeden Fall konnten die Angriffe nach langen und mühevollen Kämpfen abgewehrt werden, wobei eine neue Waffe ihre Weltpremiere hatte. Immerhin, die spätere Stilisierung der Ereignisse lässt erkennen, wie tief der erste arabische Angriff auf Konstantinopel noch nachfolgende Generationen beeindruckt hat.[ 5 ]
Konstantinopel schien gerettet, doch stellte sich der Sieg des Jahres 678 schon bald nur als Atempause heraus. Denn trotz der gescheiterten ersten Belagerung setzte sich die islamische Expansion in Ost und West scheinbar unaufhaltsam fort. Mit Karthago fiel 698 der letzte byzantinische Außenposten in Nordafrika. Wenig später überquerten die Araber die Meerenge von Gibraltar, und 711 unterlag ihnen das Westgotenreich auf der Iberischen Halbinsel. Im Osten dehnte sich der Machtbereich der Kalifen bald bis an die Grenzen Indiens aus.
Die Umayyaden-Kalifen fühlten sich somit bald wieder stark genug, einen erneuten Angriff auf die byzantinische Hauptstadt zu unternehmen, um diese zum eigenen Regierungssitz zu machen. Die Angriffsvorbereitungen blieben jedoch am Goldenen Horn nicht unbemerkt. Kaiser Anastasios II. (713–715/16) traf ab 713 Vorbereitungen gegen eine bevorstehende Belagerung, indem er die Mauern verstärken, die Flotte aufrüsten und die Kornspeicher der Stadt füllen ließ. Zwei Jahre später versammelte im Sommer 715 Kalif Sulaiman (715–717) ein riesiges Heer, das unter dem Befehl seines Bruders Maslama durch Kleinasien auf Konstantinopel marschieren sollte. Parallel dazu ging eine Flotte von angeblich 1800 Schiffen unter Segel. Wie viele Schiffe es wirklich waren, wissen wir nicht. Wie bei so vielen zeitgenössischen Berichten über antike und mittelalterliche Schlachten ist auch diese Zahl als Topos zu verstehen und ließe sichwohl am besten übersetzen mit «es waren viele». In den folgenden zwei Jahren operierten die arabischen Verbände zunächst in Kleinasien. Im Frühjahr 717 begann schließlich der Vormarsch auf Konstantinopel. Auf dem Weg dorthin eroberte das Heer Pergamon trotz seiner neuen Befestigungsanlagen und überquerte bei Abydos die Dardanellen. Im August standen die Araber erneut vor den Mauern Konstantinopels und errichteten ein befestigtes Lager. Anfang September erschien auch die Flotte am Bosporus.
Eisenketten und Dromonen
Damit sahen sich Konstantinopel und der soeben erst auf den Thron gelangte Kaiser Leo III. (717–741) abermals sowohl von Land als auch vom Meer her eingeschlossen. Die byzantinische Flotte lag im Goldenen Horn, geschützt durch eine Eisenkette, die quer über dessen Einfahrt gespannt werden konnte. Eine ganze Serie vergeblicher Angriffe auf die Land- und Seemauern zeigte den Arabern schon bald, dass Konstantinopel nach wie vor eine harte Nuss war. Die Belagerung zog sich in die Länge. Der Winter begann im Jahr 717 früh und erwies sich als ungewöhnlich streng. Über hundert Tage lang konnte man in Thrakien den von einer dicken Schneedecke bedeckten Boden nicht sehen, berichtet der Geschichtsschreiber Theophanes Homologetes. Unter diesen misslichen Umständen verschlechterte sich die Versorgungslage der Angreifer bald dramatisch, so dass sie, wenn wir Theophanes vertrauen dürfen, eine große Anzahl Pferde und Kamele verloren. Im
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