Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
Reich Alexanders des Großen, dem Imperium Romanum oder, in der hier behandelten Epoche, dem Reich der Mongolen der Fall war. Vielmehr lenkten sie durch ein Netz von Hafenstädten, Inselstützpunkten und Faktoreien mittels der daraus resultierenden Kontrolle der Handelswege die Güter- und Kapitalströme ihrer Zeit. Schon sehr bald verstanden sie es, ökonomischen Wohlstand in politische Macht umzuwandeln. Münzen, Maße und Kreditbriefe dieser
Seaborn Empires
galten von England im Westen bis nach China im Osten. Im Grunde schufen Venedig und Genua im Mittelmeer dieselbe Art von stützpunktbasierten Seeimperien, wie sie später Portugal im 16. und die Niederlande im 17. Jahrhundert über die Weltozeane etablierten.[ 2 ]
Eine weitere Grundlage für die Macht der italienischen Seestädte bildeten das technische Wissen und das praktische Können, innerhalb kurzer Zeit ganze Kriegsflotten zu Wasser zu lassen, um die eigenen Interessen gegebenenfalls mit Gewalt durchzusetzen. Die arbeitsteilige und geradezu protoindustrielle Schiffbauorganisation des Arsenals in Venedig war schon im Mittelalter legendär. Sie fand sogar Eingang in die
Göttliche Komödie
des Dante Alighieri (1265–1321). Im 21. Gesang des «Inferno» ist die Rede von einem kochenden Pechsee, in dem von Teufeln umringt die Betrüger brodeln und der den Autor an die Arsenale in der Lagunenstadt erinnert:
Gleich wie man in Venedigs Arsenal
Das Pech im Winter sieht aufsiedend wogen,
Womit das lecke Schiff, das manches Mal
Bereits bei Sturmgetos das Meer durchzogen,
Kalfatert wird – da stopft nun der in der Eil’
Mit Werg die Löcher aus am Seitenbogen,
Der klopft am Vorder-, der am Hinterteil,
Der ist bemüht, die Segel auszuflicken,
Der bessert Ruder aus, der dreht ein Seil.[ 3 ]
Im Laufe des 12. Jahrhunderts erwuchs den bisherigen Seemächten im Mittelmeer allerdings eine neue, gefährliche Konkurrenz: die Normannen. Ursprünglich stammten die Normannen aus Skandinavien. Die Länder der Mitsommersonne und der langen dunklen Winternächte brachten im 9. und 10. Jahrhundert in mehreren Wellen beutegierige undrauflustige Seefahrer hervor, die mit ihren berüchtigten Raubfahrten, den «Vikings», die Küsten Europas unsicher machten und hier und da Klöster, ja ganze Städte ausraubten. Mit wendigen und dennoch hochseetüchtigen Langschiffen fuhren die Wikinger nicht nur die Küsten entlang, sondern auch Flüsse hinauf und entwickelten sich für Britannien, Irland und das Frankenreich zu einer wahren Geißel Gottes. Wie sehr die Langboote und die See das Denken dieser «Seeschäumer» beherrschten, kann mannicht zuletzt daran erkennen, dass sich in Skandinavien und England zahlreiche Schiffe in Hügelgräbern, die man für Könige und Anführer aufschüttete, gefunden haben.
Die Geißel aus dem Norden: Das in einem Schiffsgrab bei dem Bauernhof Gokstad in Sandar in Norwegen entdeckte und 1880 ausgegrabene Gokstadschiff ist einer der spektakulärsten Funde aus der Wikingerzeit des späten 9. Jahrhunderts. Das in Klinkerbauweise vollständig aus Eiche gebaute und etwas über 23 Meter lange Schiff ist ein tatsächlich eingesetztes «Langschiff», was die Abnutzungsspuren an den Löchern für die Riemen verraten. Der Tote, der in der deutlich hinter dem Kielschwein erkennbaren Grabkammer bestattet war, hatte dieses Schiff sicher zu Lebzeiten für die berüchtigten Raubfahrten der Nordmänner, die «Vikings», die sie bis ins Mittelmeer und nach Konstantinopel führten, benutzt. Seeschlachten mit taktischen Manövern konnte man mit diesen Schiffen zwar nicht schlagen, dafür aber reichlich Beute abfahren.
Jene Skandinavier, die dann nach West- und Südeuropa ausgriffen, bezeichnet man als Normannen. Einige von ihnen ließen sich Anfang des 10. Jahrhunderts in der Normandie nieder. Von dort eroberten sie mit einer spektakulären Flottenoperation im Jahr 1066 unter der Führung ihres Herzogs, den man später Wilhelm den Eroberer nannte, England. Ein anderer Teil dieser Normannen verdingte sich als Söldner und kämpfte zunächst für die langobardischen Fürsten Süditaliens gegen Sarazenen und Byzantiner. Schon bald begannen sie jedoch, hier eigene Herrschaftsbereiche zu gründen. Die erfolgreichsten dieser Söldner stammten aus der Familie des Tankred von Hauteville. Einer von Tankreds zahlreichen Söhnen war Roger I. (gest. 1101), der die damals noch von den Arabern beherrschte Insel Sizilien eroberte. Dessen Sohn Roger II. (1130–1154)
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