Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
Königreich Neapel. Hier traf er im September 1793 zum ersten Mal Lady Emma Hamilton, die Frau des dortigen britischen Botschafters und berühmten Antikensammlers Sir William Hamilton. Mit dieser Frau, die unzählige Männerherzen betörte, verband Nelson eine tiefe, leidenschaftliche Liebe, die später mitunter den Charakter einer Groteske annehmen sollte. Man könnte auch sagen, er war der ebenso schönen wie skandalumwitterten Frau völlig verfallen. Ohne jedes Taktgefühl schrieb er seiner Ehefrau Frances (Fanny) über ihre Nebenbuhlerin, sie sei «eine der erstaunlichsten Frauen auf dieser Welt», und fügte noch hinzu: «Sie ist eine Zierde ihres Geschlechts.» Fanny wusste zwar von seiner Affäre und tolerierte sie sogar, dennoch verließ er sie später. Im Juli 1794 erlitt Nelson bei einem Angriff gegen Calvi auf Korsika an seinem rechten Auge eine so schwere Verletzung, dass er von nun an mit einem weitgehenden Verlust der Sehkraft fertigwerden musste.[ 7 ]
Am 14. Februar 1797 segelte Nelson, inzwischen zum
Commodore
ernannt, in die erste von insgesamt vier bedeutenden Seeschlachten, die ihm in England einen bis heute anhaltenden Ruhm einbringen sollten. Nach der siegreichen Seeschlacht bei Kap St. Vincent vor der Küste Portugals unter dem Oberbefehlshaber Admiral John Jervis wurde er zum
Rear Admiral of the Blue
befördert, dem neunthöchsten Rang in der königlichen Marine. Schon in dieser Schlacht, in der man erstmals die starre Linientaktik des Aneinandervorbeifahrens zu einem Durchbruch der feindlichen Linie abwandelte, zeigte er die Neigung, Befehle der Oberkommandierenden zu missachten. Nelson handelte hier, wie später noch so oft, mit dem Draufgängertum eines Hasardeurs. Ob diese Art, sich erfolgreich von traditionellen Strategien abzuwenden, als genial angesehen werden kann oder nur als das Glück des Beherzten, lässt sich schwer entscheiden. Vielleicht war es beides. Zumindest brachte ihm der Erfolg die Würde eines
Knight of the Bath
, eines Ritters vom Hosenbandorden, ein. Noch im selben Jahr wurde Nelson bei einem Gefecht durch eine Musketenkugel am Ellenbogen verletzt, woraufhin ihm der rechte Arm bis zur Schulter amputiert werden musste. Angst vor Verwundungen oder Tod hatte der ehrgeizige Admiral offenbar nie.
Den nächsten glorreichen Sieg errang der mittlerweile vierzigjährige Befehlshaber einer britischen Schwadron am 1. August 1798 in der Schlachtbei Aboukir in Ägypten, in der englischen Tradition als «Battle of the Nile» bezeichnet, die Napoleons erste schwere Niederlage darstellte. Der Korse war zuvor vom französischen Direktorium beauftragt worden, das eigentlich zum Osmanischen Reich gehörende Ägypten zu erobern, es zu einer französischen Provinz zu machen, dem levantinischen Handel Frankreichs eine beherrschende Rolle zu sichern und bei der Gelegenheit auch die britische Vormachtstellung im Mittelmeerraum zu beenden – ein Plan, den übrigens der Philosoph und Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz schon 1672 dem «Sonnenkönig» Ludwig XIV. vorgeschlagen hatte.
Nelson griff die französische Flotte unter dem Befehl von Admiral François-Paul Brueys d’Aigalliers, die Napoleons Ägyptenfeldzug deckte und nun in der Bucht von Aboukir vor Anker lag, in einer überaus riskanten Annäherung in flachem Wasser auf kurze Distanz an, indem er seine eigenen Schiffe neben den französischen ankern ließ und dann mit der überlegenen englischen Artillerie vernichtete. Einigen seiner Schiffe gelang es sogar, sich zwischen den Strand und die ankernden Franzosen zu schieben, so dass diese von zwei Seiten beschossen werden konnten. Den Höhepunkt der Schlacht stellte die Explosion der
L’Orient
dar, des mit 120 Kanonen bestückten Flaggschiffes der französischen Flotte. Der Unterwasserarchäologe Franck Goddio, der Entdecker des Palastes der Kleopatra in Alexandria, fand 1998 die Überreste des riesigen Schiffes in Ufernähe wieder. Hier bei Aboukir begegneten sich zum ersten Mal die späteren Kontrahenten von Trafalgar, Horatio Nelson und Pierre Charles Villeneuve. Zeitlebens sollte der Befehlshaber der französischen Nachhut von Nelsons Draufgängertum beeindruckt bleiben; ja, seit dieser Schlacht hatte er regelrecht Angst vor ihm.[ 8 ]
Als Nelson nach der Schlacht nach Neapel kam, erreichte ihn eine Glückwunschbotschaft von Emma Hamilton: «Wäre ich König von England, ich würde Sie zum edelsten, mächtigsten Herzog Nelson, Marquis Nil, Grafen Alexandria, Vicomte
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