Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
Empire, denn mit dem universalen Machtanspruch seines Kaisertums hatte Napoleon das Britische Empire zum unversöhnlichen Feind des kaiserlichen Frankreich werden lassen. Schon seit 1793, dem Beginn der Koalitionskriege, galt England als einer der Hauptgegner des revolutionären Frankreich.[ 4 ]
Um England in die Knie zu zwingen, musste Frankreich allerdings die Seeherrschaft erringen und die Insel erobern. Gegen diese Bedrohung zog England den stärksten Trumpf, den es im Machtpoker mit Frankreich besaß: die Flotte Seiner Majestät, die berühmte Royal Navy. Seit den siegreichen Kämpfen des 17. Jahrhunderts mit den Niederländern im Kanal hatte sich die englische Flotte ständig weiterentwickelt und war im 18. Jahrhundert zur einzigen weltweit operationsfähigen Marine gewachsen. Da sich zwischen 1688 und 1815 das britische Bruttosozialprodukt verdreifacht hatte und England begann, zum
workshop of the world
zu werden, zu war auch eine enorme Mobilisierung finanzieller Ressourcen für die Flotte möglich geworden. Die Royal Navy stand als Empfänger öffentlicher Mittel bald an erster Stelle. Dazu kam, dass auf allen Gebieten der Seefahrt im Laufe des 18. Jahrhunderts grundstürzende Neuerungen eingeführt worden waren. Das Zeitalter der Entdeckungen war in vollem Gange. Die geographischen Entdeckungsreisen und kartographischen Leistungen eines James Cook (1728–1779) sind nur die bekanntesten Ergebnisse dieses Bemühens. Die Royal Navy wurde bis weit in das 19. Jahrhundert hinein zur aktivsten Kraft bei der Exploration der Welt, wobei man dieses Herrschaftswissen natürlich für sich zu behalten versuchte. Und endlich hatte man auch das Längengradproblem gelöst – eine besonders verzwickte Angelegenheit.
Zur exakten Bestimmung des Längengrades muss nämlich wegen der Erdrotation die Zeit eines Nullmeridians genau ermittelt werden. Das geht nur durch aufwändige astronomische Beobachtungen, an denen sich schon Galileo Galilei vergeblich versucht hatte, oder durch eine sekundengenaue Zeitmessung anhand einer mitgeführten Uhr. Ohne einen präzise gehenden Chronographen an Bord – bei Seegang sowie den hohen Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen eine enorme mechanische Herausforderung – und der damit ermittelbaren Vergleichszeit etwa zum Ausgangshafen war eine genaue Bestimmung des Längengrads unmöglich. Das war zuvor schon vielen Schiffen zum Verhängnis geworden,die sich östlicher oder westlicher wähnten, als sie tatsächlich waren, und an felsigen Untiefen scheiterten. Mit der Gründung des Königlichen Observatoriums in Greenwich durch König Karl II. 1675 vollzog England den ersten systematischen Schritt auf der Suche nach genauen Längenangaben. Das ganze 18. Jahrhundert hindurch hatte man ein Preisgeld von zwanzigtausend Pfund zur Lösung des Längengradproblems ausgesetzt. Verwaltet wurde es von einer «Längenkommission»,
Board of Longitude
, der die bedeutendsten Astronomen und Mathematiker Englands angehörten. Ein Mann namens John Harrison, ein genialer Tischler, schuf mit dem Bau von mehreren Präzisionsuhren – eine davon tatsächlich aus Holz – die Grundlage zur Lösung. Als James Cook 1775 von seiner zweiten Weltreise heimkehrte und die Qualität einer der Versuchsuhren bestätigte, die eine exakte Kopie von Harrisons Exemplar des Jahres 1759 darstellte, war auch für die meisten Astronomen das Längenproblem vom Tisch. Erst von nun an wusste die britische Flotte wirklich genau, wo sie sich gerade befand.[ 5 ]
Auch neue Schifftypen waren entwickelt worden. Die lange Zeit beliebten hohen Vorder- und Achterkastelle verschwanden im 18. Jahrhundert völlig. Dadurch wurde der Schwerpunkt der Schiffe nach unten verlagert, so dass mehr Segelfläche gesetzt werden konnte. Neue dreieckige Stagsegel zwischen den Masten, verbesserte Klüver und eine optimierte Trimm ließen die Schiffe höher am Wind segeln. An den Rahen sorgten ausschiebbare Spieren für die Möglichkeit, Leesegel zu verwenden. Mit voll gesetztem Zeug, das auf großen Kriegsschiffen bis zu 36 Segel umfasste, konnten diese nun mit Kupferplatten gegen Schiffsbohrwürmer und Algenbewuchs beschlagenen Schiffe neun bis zwölf Knoten laufen – eine Geschwindigkeit, die man auch mit heutigen modernen Segelbooten nur gelegentlich erreicht. Im Durchschnitt fuhren sie aber eher fünf bis sechs Knoten. Bei sehr schwachen Brisen waren die großen Schiffe dagegen äußerst träge und gehorchten kaum noch dem Ruder. Nicht
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