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Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte

Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte

Titel: Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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militärischen Diskreditierung, die sich im weiteren Verlauf der Flottenexpedition fast ständig bemerkbar machte. Auch das zuvor den Russen mit wohlwollender Neutralität gegenüberstehende Frankreich sah sich in der Folgezeit angesichts der öffentlichen Meinung und englischen Drucks gehalten, die für die Versorgung des «2. Pazifischen Geschwaders» existenzielle Erlaubnis zur Versorgung und Bekohlung in französischen Kolonialhäfen nur sehr restriktiv zu gewähren.
    Die Folgen der französischen Zurückhaltung hatten zunächst einmal die russischen Schiffsbesatzungen auszubaden, die mit dem Beginn der Reise um Afrika herum gezwungen waren, den unentbehrlichen Kohlennachschub auf See zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Rojestwenski seine Schiffe in zwei Geschwader geteilt. Das eine, bestehend aus älteren Schlachtschiffen und einigen Kreuzern, sollte unter Führung von Konter-Admiral Fölkersam seinen Weg durch den Suez-Kanal nehmen. Rojestwenski selbst führte hingegen die vier modernsten und leistungsfähigsten Schlachtschiffe nebst einer Reihe leichterer Einheiten den längeren Weg um das Kap der Guten Hoffnung herum. Auf diese Weise suchte er Angriffen leichter japanischer Geschwader im Indischen Ozean oder sogar im Roten Meer zu entgehen, denn die Japaner würden kaum das Risiko eines solchen Angriffs auf sich nehmen, wenn die modernsten und kampfkräftigsten der russischen Schiffe den Weg um die Südspitze Afrikas nähmen.[ 24 ] Rojestwenskis Kalkulation ging auf. Nach unendlichen Mühen, doch unbehelligt vom Feind trafen sich die beiden Abteilungen Anfang Februar 1905 vor der Küste Madagaskars.
    Inzwischen hatten den russischen Geschwader-Kommandanten neue Hiobsbotschaften ereilt. Zum einen war der lange Belagerungskampf um Port Arthur, der die japanischen Angreifer am Ende 58.000 Tote gekostet hatte – gegenüber mehr als 38.000 russischen Verteidigern –, mit der Kapitulation der Festung im Januar 1905 zu Ende gegangen. Zusammen mitder Festung gelangten auch die kümmerlichen Reste des einstigen Pazifik-Geschwaders der Russen in die Hände der Angreifer. Damit war der strategische Sinn von Rojestwenskis Odyssee im Grunde hinfällig. Denn die Aufgabe des «2. Pazifischen Geschwaders» sollte ja ursprünglich darin bestehen, in die ostasiatische Hafenfestung durchzubrechen, um nach der Vereinigung mit dem «1. Pazifischen Geschwader» der japanischen Flotte mit Aussicht auf Erfolg entgegentreten zu können, nach einem Sieg die Seeherrschaft im Gelben Meer zurückzugewinnen und anschließend die japanische Landarmee vom Nachschub abzuschneiden.
    Nach dem Fall von Port Arthur konnte von alledem keine Rede mehr sein. Rojestwenski würde auf sich allein gestellt sein im Kampf gegen einen Gegner, der ihm an Zahl und Kampfkraft, an Ausbildung und Kriegserfahrung turmhoch überlegen war und nun auch noch Gelegenheit erhielt, seine Schiffe vor dem neuerlichen Einsatz in den Docks der Heimathäfen gründlich zu überholen. Unter diesen Umständen ließ sich für jeden Klarblickenden erkennen, dass die schon zuvor hochriskante Expedition des «2. Pazifischen Geschwaders» zu einem sinnlosen Opfergang werden musste.
    Doch die Politiker in St. Petersburg erwiesen sich als überhaupt nicht klarblickend. Inzwischen nämlich war die Revolution ausgebrochen, jene letztlich nicht durchdringende, mit äußerster Mühe in viel Blut erstickte Revolution von 1905, die es nicht geraten erscheinen ließ, die innenpolitische Situation noch zusätzlich durch außenpolitische Rückzüge zu belasten. Und so insistierte man in St. Petersburg auf der Fortsetzung der sinnlos gewordenen Odyssee, ja mehr noch: Man beschloss, dem «2. Pazifischen Geschwader» ein «3. Pazifisches Geschwader» hinterherzuschicken. Eine Pressekampagne erklärte die Entsendung dieser «Verstärkung» zur nationalen Notwendigkeit.[ 25 ] Tatsächlich aber konnte von einer Verstärkung nicht im mindesten die Rede sein.
    Die Schiffe des «3. Geschwaders» waren im Januar 1905 von Libau aus in See gestochen, um sich so rasch wie möglich mit dem Geschwader Rojestwenskis zu vereinigen. Das aber würde Zeit brauchen. Die eilig zusammengestellten Einheiten unter dem Befehl von Konter-Admiral Nebogatow waren allesamt vom technischen Fortschritt längst überholte, teilweise schon außer Dienst gestellte Relikte vergangener Zeiten, eine schwimmende Antiquitätensammlung, die prompt zu einer Vielzahl vonSpottnamen anregte: «Selbstversenker», «Selbstersäufer»,

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