Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
zwar das Potential, das in den neuen Technologien steckte. Wie so oft in der Geschichte wurde dann jedoch in der Zwischenkriegszeit der letzte Krieg vorbereitet und nicht der kommende.Deutlich zeigten das die internationalen Konferenzen zur Begrenzung der Flottenrüstung, die nahezu vollständig auf die Gesamttonnage der Großkampfschiffe fixiert waren. Die erste dieser Flottenkonferenzen fand 1921/22 in Washington statt, zwei weitere in London 1930 und 1935/36. Die schließlich abgeschlossenen Verträge legten Obergrenzen für den Schiffsbestand der beteiligten Länder sowie konstruktive Einschränkungen einzelner Schiffstypen fest, um ein unkontrolliertes Wettrüsten zu verhindern. Vereinbart wurde in Washington ein Verhältnis der Flottengröße von 5 zu 5 Anteilen zwischen den USA und Großbritannien – was praktisch den Verlust der britischen Dominanz zur See bedeutete –, sowie zu 3 Anteilen für Japan und jeweils 1,75 Anteilen für Frankreich und Italien. Des Weiteren sah der Vertrag die Begrenzung der einzelnen Schlachtschiffneubauten auf 35.000 Tonnen und ein Kaliber der schweren Artillerie von höchstens 40,6 Zentimetern vor. Allerdings stellte sich bald heraus, dass kaum Bereitschaft bestand, die Verträge zu respektieren. Ständig wurde mit fragwürdigen Rechenbeispielen bei der Gesamttonnage gemogelt, um die Eckdaten zu umgehen. Konnte für einen Schiffstyp einmal eine Grenze festgelegt oder ein Baustopp vereinbart werden, dann wurden eben verstärkt Einheiten der nächstkleineren Schiffsklasse gebaut.[ 2 ]
Die Überschreitung der Tonnagegrenzen bei Schiffsneubauten schien ohnehin als Kavaliersdelikt zu gelten. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet die
USS Iowa
, das schnellste Schlachtschiff, das je gebaut wurde und das den Namen für eine ganze Klasse abgab. Die Planungen für die Schiffe der Iowa-Klasse begannen bereits 1938, also noch vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und noch während der Geltungsdauer der Flottenverträge. Die Wasserverdrängung der
Iowa
entsprach nur auf dem Papier der auf der Londoner Flottenkonferenz von 1936 festgelegten Obergrenze von 45.000 BRT. Bei voller Zuladung lag sie tatsächlich bei etwa 58.000 Tonnen. Die Gewichtsüberschreitung von 13.000 Tonnen entspricht ungefähr der Standardverdrängung von Schweren Kreuzern, wie etwa der deutschen
Lützow
oder der
USS Indianapolis.
Frankreich und Italien, die sich mit ihren 1,75 Anteilen benachteiligt fühlten, hielten sich ebenfalls nicht an die Abmachungen. Auch Japan begann schon in den 1930er Jahren im Zuge seiner expansiven Pazifik-Politik, die Flottenverträge zu ignorieren, und trat schließlich sogar offiziell aus dem Vertragswerk aus.
In Deutschland, das als Kriegsverlierer nicht in das Vertragswerk eingebunden worden war, hatte man sich an viel strengere Auflagen hinsichtlich der Seerüstung zu halten. So gestand der Versailler Vertrag den Deutschen nur drei schwere Kriegsschiffe zu und legte für diese eine Höchstgrenze von 10.000 Tonnen fest. Eine solche Begrenzung entsprach derjenigen des Washingtoner Vertrages für die Schiffsklasse der Schweren Kreuzer, der sogenannten «Vertragskreuzer». Um sich aus der Tonnagebegrenzung herauszuwinden, kam man auf die Idee, Schiffe zu bauen, die stärker sein sollten als schnellere und schneller als stärkere: Die sogenannten Panzerschiffe, die später in Schwere Kreuzer umklassifiziert wurden, sollten in der Bewaffnung stark genug sein, um feindliche Kreuzer niederzukämpfen, zugleich aber schnell genug, um sich durch Flucht feindlichen Schlachtschiffen zu entziehen. Dieses Stärker-Schneller-Konzept schlug sich in der Konstruktion von drei Schwesterschiffen nieder: der
Deutschland
, später umbenannt in
Lützow
, der
Admiral Scheer
und der
Admiral Graf Spee.
Auf dem Papier respektierten sie durch eine geringere Panzerung die zugestandenen 10.000 Tonnen, waren aber voll ausgerüstet bedeutend schwerer. Da ihre großkalibrige Artillerie von sechs 28-Zentimeter-Geschützen derjenigen von Schweren Kreuzern weit überlegen und sogar der Bewaffnung vieler älterer Schlachtschiffe ebenbürtig war, wurden die neuen Schiffe von den Angelsachsen als
«pocket battleships»
, also als «Westentaschenschlachtschiffe» bezeichnet.
Jagd auf die
Bismarck
Die aggressive Aufrüstungspolitik des nationalsozialistischen Deutschland seit 1933 zielte dann von Anfang an darauf ab, auch im Bereich der Seerüstung die Fesseln des Versailler Vertrags abzuschütteln. Schon zweieinhalb
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