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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Pulitzerpreis.
    Als er zu seinem ersten Einstellungsgespräch für den Job des Presseschreibers ins Wunderland der Abenteuer gekommen war, hatte man Joe Winder gefragt, ob er den Pulitzerpreis bekommen habe. Als er das verneinte, hatte Charles Chelsea darauf bestanden, ihn an den Lügendetektor anzuschließen.
    »Ich hab ihn nie bekommen«, beteuerte Winder. »Sie können ja nachschauen.«
    Und das tat Charles Chelsea. Ein Pulitzer an der Wand hätte Joe Winder für den PR-Job genauso disqualifiziert wie eine positive Urinprobe beim Dopingtest.
    »Wir suchen nicht nach aggressiven, hartgesottenen Nachrichtenjägern«, hatte Chelsea ihn gewarnt. »Wir wollen Schreiber mit einem angenehmen, leichtverständlichen Stil. Wir brauchen eine ganz bestimmte Grundeinstellung.«
    »Ich bin sehr flexibel«, hatte Joe Winder versichert. »Vor allem meine Grundeinstellung.«
    Chelsea hatte ihm wegen der Journalismuspreise ein Loch in den Bauch gefragt, dann hatte er über seine Haarlänge gesprochen, dann über die dünne rosige Narbe an seinem Kinn.
    Indem er Winders Gesicht aus nächster Nähe studierte, hatte der PR-Mann gesagt: »Sie sehen aus wie ein Kneipenschläger. Haben Sie die Narbe von einer Prügelei?«
    »Es war ein Autounfall«, hatte Joe Winder gelogen und sich gedacht, nach mir die Sintflut. Chelsea mußte die Wahrheit g e-kannt haben. Ein Anruf bei der Zeitung, und alle möglichen Leute wären glücklich gewesen, die Geschichte loszuwerden.
    Aber Chelsea erwähnte die Narbe nicht mehr und gab auch durch nichts zu verstehen, daß er von den Gerüchten etwas gehört hatte. Es schienen Joe Winders journalistische Leistungen zu sein, die den Publicitymann beunruhigten, obgleich diese Sorgen schließlich durch die Entdeckung aufgewogen wurden, daß Winder in Florida geboren und aufgewachsen war. Die Presseabteilung im Wunderland suchte verzweifelt nach jemandem, der die Mentalität der Touristen und der Bewohner der Gegend verstand.
    Auch das Disney-Intermezzo hatte Joe Winders Chancen nicht gemindert; er hatte im Lager des Feindes gearbeitet und dort viele Geheimnisse erfahren. Daher hatte Charles Chelsea seine Zweifel beiseite geschoben und ihn eingestellt.
    Das war vor zwei Wochen gewesen. Es war für Joe Winder noch zu früh, um diesen Job mit dem in Disney World zu vergleichen. Sicherlich war Disney gediegener und weitaus effizienter als das Wunderland, aber es war dort auch alles weitaus stärker reglementiert und unpersönlicher. Die Disney-Bürokratie und ihre Reichweite und ihr Einfluß waren überwältigend. In der Rückschau fand Joe Winder keine Erklärung, wie er es überhaupt so lange dort hatte aushalten können, sechs Monate, ehe er auf Mr. Toads Höllenfahrt beim Vögeln erwischt und gefeuert wurde, weil er seinen Ausweis nicht sichtbar am Revers getragen hatte. Winder tat es besonders leid, daß auch der jungen Frau, mit der er sich vergnügt hatte, vielversprechende Zweitbesetzung für Cinderella, wegen dieses Vorfalls gekündigt worden war; sie hatte ihren Platz auf der Hauptstraße während der Geburtstagsparade von Mickey Mouse verlassen.
    Während des Einstellungsgesprächs im Wunderland hatte Charles Chelsea ihm geraten: »Wenn Sie bei uns arbeiten, dann behalten Sie lieber Ihre Hose an, verstanden?«
    »Ich habe jetzt eine feste Freundin«, hatte Joe Winder erwidert.
    »Glauben Sie nicht, daß die Versuchung Sie hier nicht auch eines Tages heimsucht.«
    Winder war nicht ein einziges Mal in Versuchung geraten, bis heute. Nun dachte er an Carrie Lanier, die furchtlose Schönheit in dem zwei Meter großen Waschbärkostüm.
    Das passiert einem, wenn man siebenunddreißig wird, dachte Winder; die Libido bekommt Fieber und wird blind. Wie sonst ließ sich sein Interesse an Nina erklären? Oder ihr Interesse an ihm?
    Seine Tätigkeit als Zeitungsreporter hatte Winder nur wenig Zeit für unbeschwerte Beziehungen gelassen. Nun, als Presseonkel, hatte er alle Zeit der Welt. Nun, da es ihm verboten war, über Probleme zu schreiben, schien er geradezu prädestiniert zu sein, sie am eigenen Leib zu erfahren.
    Er aß sein Omelett auf, öffnete eine Bierdose, sank auf den Fußboden und streckte sich zwischen den Lautsprecherboxen aus. Irgend etwas rumorte schon den ganzen Nachmittag in ihm herum, seit dieser unerträgliche Chelsea ihn für den Krisenstab rekrutiert hatte. Unter dem Druck des bevorstehenden Abgabetermins wurde es Joe Winder klar, daß seine Fähigkeiten als Schreiber in keiner Weise gelitten

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