Grosseinsatz Morgenröte
Anbetracht der GWA-Vorschriften war das außergewöhnlich. Es bedeutete aber durchaus nicht, daß ich auch genau wußte, wen ich eigentlich vor mir hatte.
Ich nannte ihn einfach »Miller«, wenn ich ihn ansprechen mußte. Er hatte es bequemer, indem er »Sir« sagte. Wieder einmal verwünschte ich unsere strengen Dienstvorschriften, die ein persönliches Kennenlernen unter allen Umständen untersagten.
»Moment, Miller. Ehe Sie öffnen, eine bescheidene Frage.«
Ich sah seine grauen Augen hinter den Ausschnitten der Maske. Der Seufzer entging mir nicht. Ich gewann deshalb die Überzeugung, daß auch er nicht hundertprozentig eingeweiht war.
»Was ist hier eigentlich los? Seit wann werden wir vom Alten in streng geheime Werke zur Lagebesprechung beordert? Ist es überhaupt eine?«
Er zuckte flüchtig mit den Schultern. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern.
»Keine Ahnung, Sir. Ich bin mit dem Chef angekommen. Während des kurzen Fluges rauchte er eine schwarze Zigarre. Er sprach keinen Ton.«
»Mensch, Sie müssen doch etwas wissen! Was ist hier gesprochen worden?«
»Nicht viel. Es gibt aber einige Leute, die offenbar außerordentlich verzweifelt sind.«
Sein Lachen klang unecht. Ich ahnte etwas!
Ob sich die Kanadier in eine Sache eingelassen hatten, die sie aus eigenen Kräften nicht mehr bereinigen konnten?
In den beiden Amerika hatte sich während der vergangenen fünfzehn Jahre die Sitte eingebürgert, in solchen Fällen auf die weltumspannende Organisation der GWA zurückzugreifen. Nur wir verfügten über die unbegrenzten Möglichkeiten in finanzieller, technischer und wissenschaftlicher Hinsicht, um mit jedem Problem fertig zu werden. Dafür waren wir da, dafür wurden wir benötigt.
»Es wird einen strahlend schönen Tag geben, Miller«, orakelte ich düster. »Passen wir auf, daß uns die Sonne des Wohlwollens nicht die Haut verbrennt. Gehen wir!«
»Außer uns und dem Chef ist niemand von der GWA im Werk«, erklärte er nachdenklich. »Die Geheime-Bundeskriminalpolizei ist von den Kanadiern nicht eingeschaltet worden, obwohl sich in Washington allerlei getan hat. Das habe ich erfahren können. Sieht nach Großeinsatz aus, Sir.«
Ich überprüfte noch einmal den korrekten Sitz meiner Maske, ehe ich die strahlungssichere Schleuse des Zentralebunkers durchschritt. In dem dahinterliegenden Gang lauerten Fernsehaugen und robotgesteuerte Durchleuchtungsgeräte. Die Männer in der Wachzentrale mußten jetzt schon wissen, daß wir bewaffnet das Allerheiligste des Columbia-Atomwerkes betraten.
Das schien aber keine wesentliche Rolle zu spielen. Man war offensichtlich bereit, den aktiven ZBV-Agenten der GWA alle Sondergenehmigungen zu erteilen. Das stimmte mich nicht sonderlich heiter. Es roch förmlich nach einem Einsatz.
2.
Oberst Habcour erweckte den Eindruck, als könnte er nicht bis drei zählen! Korpulent und einfältig wirkend saß er hinter seinem Schreibtisch.
Das Metallmonstrum erinnerte mich stark an eine ähnliche Konstruktion, die ich im Arbeitszimmer unseres Chefs bewundert hatte.
Wenn es dieser Oberst zuwege brachte, den sinnverwirrenden Schalter- und Bildflächenwirrwarr einwandfrei und reaktionsschnell zu beherrschen, war er ein Artist.
Es waren noch andere Leute in dem saalartigen Raum anwesend. Den mittelgroßen, untersetzten Mann mit den grauen Haaren und dem gleichfarbenen Schnurrbart kannte ich gut.
General Reling, Chef der Geheimen-Wissenschaftlichen-Abwehr und Sonderbevollmächtigter der westlichen Großstaaten, trug natürlich keine Dienstmaske. Seine blauschwarze Uniform mit dem
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