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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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brach ein Schweigen ins Zelt wie keines vorher. So still war es noch nie gewesen wie jetzt, als Großer-Tiger die Hände
     hob und langsam fallenließ. Er trug den Ring. Der Ring glänzte matt und silbern. Alle starrten ihn an, und keiner wagte, woanders
     hinzublicken und schon gar nicht in das Gesicht des Uralten-Herrn.
    Gleich wird er schreien oder etwas Unsinniges tun, dachte Großer-Tiger, aber er ließ die Hand auf dem Knie liegen, wohin sie
     gefallen war. Christian heftete den Blick auf die silberne Schlange, und auch Mondschein schaute hin. Das lange Pfeifenrohr
     in seiner Faust zitterte und trommelte leise auf den Stiefelschaft, aber das merkte Mondschein nicht. Es tat ihm weh, dass
     seinem Herrn ein Schmerz geschah. So hatte Mondschein sich das nicht vorgestellt.
    Die kleinen Flammen in dem eisernen Gestell hüpften auf und nieder, und der blaue Rauch stieg zur Zeltdecke. Draußen schien
     die Sonne.
    »Jolleros-Lama ist tot«, sagte Dampignak rau.
    »Das kam«, sagte Großer-Tiger, »weil das Blatt des heiligen Baumes zu Boden fiel und zertreten wurde.« Er wollte den Ring
     vom Finger streifen, doch Dampignak hob die Hand.
    »Nicht jetzt«, sagte er. »Zwanzig Jahre habe ich würdelos vergeudet. Lasst mich allein.«
    »Wir gehen«, sagte Mondschein.
    Er raffte seinen Mantel, er steckte die Pfeife in den Stiefelschaft, und dann stürzte er vor Großer-Tiger und Christian aus
     dem Zelt, damit der Brauch nicht verletzt werde.
    Draußen lag der Pudel in der Sonne, und die Pistole lag neben ihm.

Fünfundvierzigstes Kapitel, in dem man viele wichtige Dinge erfährt
    Den Nachmittag über saßen Christian und Großer-Tiger vor dem kleinen blauen Zelt in der Sonne, und als sie hinter dem Hügel
     verschwand, halfen sie Sämbilik beim Füttern der Pferde und beim Tränken der Kamele.
    »Seid ihr Mongolen?«, fragte Sämbilik.
    »Noch nicht«, sagte Christian, »aber wir sind dabei, welche zu werden.«
    Sämbilik lachte. »Mit den Kamelen«, lobte er, »könnt ihr schon umgehen.«
    Es waren aber bloß zwei, und Sämbilik sagte, sie seien dazu da, die Zelte und die wenigen Dinge zu tragen, die man zu einer
     Reise in der Wüste nötig habe. »Reiten tun wir auf Pferden«, sagte Sämbilik stolz, »wir haben viele.«
    Außer Sämbilik waren noch zwei schweigsame ältere Männer da, die Großer-Tiger und Christian eher feindselig betrachteten als
     freundlich. Sie redeten nur wenige Worte, und die Worte grollten aus ihren Mündern wie ferner Donner. »Setz den Topf auf«,
     sagten sie zu Christian, »hol Wasser«, oder »leg das Ding da weg«. Damit meinten sie die Pistole, die Christian wieder umgehängt
     hatte und schweigend zu den Gewehren legte, als die Männer es verlangten.
    Es war ein trübseliger Nachmittag trotz der schönen Sonne und trotz des Pudels, der wedelte, sooft Großer-Tiger und Christian
     mit ihm sprachen.
    Ohnezehen lag im Zelt und schlief. Mondschein ging zu Dampignak, um, wie er sagte, Befehle zu holen, und er kam erst zurück,
     als Sämbilik ihn zum Essen rief. Da war es schon dunkel, und es gab Fleischtaschen, also ein Festessen.
    Die Männer saßen um das Feuer, die Zeltwand war zurückgeschlagen, und man sah in die ungeheure Ferne der Nacht.
    »Neumond«, sagte einer.
    »Wie oft noch?«, fragte der Zweite verdrossen.
    »Juchi!«, erwiderte Mondschein, »wetze deine Zunge nicht an Dingen, die der Fürst bestimmt.«
    Wir wollen ihn endlich als König sehen«, maulte Juchi, »am Vorabend der Schlacht von Kobdo hat er es uns versprochen. Das
     ist lange her.«
    »Damals«, erinnerte Mondschein, »waren wir mit vielen Fürsten verbündet, die heute gegen uns sind.«
    »Warum zwingt er sie nicht, ihn anzuerkennen?«, rief Juchi. »Er ist mächtiger als alle, und er ist ein Hoschot.«
    »Ruhe!«, befahl Mondschein, »es hat Jahre gedauert, was bedeuten da ein paar Tage?«
    »Ein paar Tage?«, fragte Juchi misstrauisch.
    »Wir verlassen die Burg, bevor der Mond sich rundet«, sagte Mondschein, »die Zeit ist nahe.«
    »Jabonah!«, rief Sämbilik fröhlich.
    »Sch!«, machte Mondschein, »ihr wisst, was vorher geschehen muss.«
    »Die alte Geschichte«, knurrte Juchi.
    »Solche Rede dulde ich nicht«, sagte Mondschein scharf. »Seht Ohnezehen! Er ist verstümmelt worden, und dem Fürst ist Schlimmeres
     geschehen.«
    »Wann reiten wir?«, fragte Ohnezehen.
    Mondschein antwortete: »Der Fürst befiehlt, dass wir vor Sonnenaufgang reiten. Sämbilik geht nach Tschagan-Burgussun, um Glück
     und

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