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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Ungemach zu erwarten. Juchi und Sanienbeier brechen die Zelte ab und folgen uns mit den Kamelen und den übrigen Pferden.
     Du, Ohnezehen, reitest mit ihnen und wartest in der Burg, bis Glück eintrifft.«
    »Niemals«, rief Ohnezehen außer sich.
    »Es geht nicht anders«, sagte Mondschein.
    »Es muss anders gehen«, schrie Ohnezehen.
    »Nein«, sagte Mondschein.
    Ohnezehen traten zornige Tränen in die Augen.
    »Schong-Ma wird euch entwischen«, jammerte er, »noch nie habt ihr ihn fassen können. Stets brachtet ihr einen Falschen angeschleppt.
     Nur ich kenne ihn, ich werde ihn packen und nicht mehr loslassen. Ich muss dabei sein.«
    »Es geht nicht«, sagte Mondschein, »ich kann es dir nicht erklären, aber es geht nicht.«
    Da verlegte sich Ohnezehen aufs Bitten. Er sagte: »Du weißt, Mondschein, dass ich keinen Gewinn suche; ich begehre nichts
     als meine Rache. Jahre sah ich Schweigen um mich und Gestrüpp. Wenn ihr ohne mich geht, wird euer Gehen in Hemmnisse führen,
     und euer Wagen wird nach hinten gezerrt werden.«
    »Wir fahren nicht«, sagte Mondschein, dem nichts Besseres einfiel, »wir reiten.« Allein Ohnezehens Sinn stand nicht nach Späßen.
     Zu lange war er einsam gewesen, und zu viele Nächte hatte er mit bösen Rachegedanken verbracht. Am Tage waren sie blass geworden,
     wenn er die Schafe schor oder das Mohnfeld hackte. Sobald aber die Dämmerung aus den Winkelnkroch, waren die Gedanken wieder da, und sie wurden heiß und rot. Sie hockten neben ihm an der Feuerstelle, und sie gingen
     mit ihm zum Kang, wenn Ohnezehen schlafen wollte. Sie verließen ihn nicht.
    »Er hat recht«, sagte der aufsässige Juchi, »ihr müsst ihn mitnehmen.«
    Da stand Mondschein knurrend auf und ging mit Ohnezehen hinüber zum Uralten-Herrn. Juchi schloss das Zelt, und dann legte
     er sich mit dem andern, der Sanienbeier hieß und überhaupt nichts redete, zum Schlafen nieder. Der junge Sämbilik saß am Feuer,
     schüttelte den Kopf und sagte: »Es wäre das erste Mal, dass etwas anders geschähe, als der Fürst es haben will.«
    »Schweig!«, rief Juchi ergrimmt; aber da trat Mondschein ins Zelt, und hinter ihm drein kam Ohnezehen, blass vor Enttäuschung
     und gebückt. Niemand sprach mehr, das Feuer ging aus, und Großer-Tiger legte sich neben Christian.
    »O Kompass-Berg«, flüsterte Großer-Tiger, »verstehst du das?«
    »Was soll ich verstehen?«
    »Verbirg dich nicht, du weißt, was ich meine.«
    »Es gibt keine Hilfe«, flüsterte Christian, »was sagt dein Großvater dazu?«
    »Er sagt, der Schrei nach Rache sei wie Hahnenruf, der zum Himmel dringen möchte und ihn nie erreichen kann. Solche Beharrlichkeit
     bringt Unheil.«
    »Wir sind aber dabei«, sagte Christian leise und bekümmert.
    »Es gibt ein Ding zwischen den Mundwinkeln, das heißt das Durchbeißen.«
    »Du bist mutig wie die Alten vom Berge; ich bewundere dich.«
    »Nein, Kwi-Schan, ich bin bloß gefasst. Gute Nacht!«
    »Gute Nacht, Großer-Tiger.«
    Es war eine ruhige und prachtvolle Nacht. Die Sterne zogen still ihre Bahn, und die Menschen schliefen mit Ausnahme von Ohnezehen.
     Er lag wach und als Sämbilik aufstand, um Feuer zu machen, schaute er mit unvernünftig starren Augen in die Flammen. Er war
     blass wie am Abend vorher, und er schwieg. Er sagte auch nichts, als Tee getrunken wurde; und als Mondschein aufstand und
     nach seinem Gewehr griff, rührte er sich nicht.
    »Es ist Zeit«, sagte Mondschein zu Christian und Großer-Tiger, »wir reiten.«
    »Werter alter Herr Ohnezehen«, sagte Großer-Tiger, »wir gehen, doch wir zählen die Stunden, bis wir durch Eure Gegenwart wieder
     erfreut werden.«
    »Wir hoffen Euch bald wieder zu sehen«, sagte Christian.
    Sie verneigten sich tief.
    Ohnezehen nickte, aber er schaute nicht mehr auf; und Großer-Tiger und Christian verließen das Zelt auf Zehenspitzen. Großer-Tiger
     trug die Mantelenden, damit sie nicht am Boden schleiften, und Christian hing sich die Pistole um.
    Wozu habe ich sie mitgenommen, dachte er betrübt, Ohnezehen wird sich unnötig gekränkt haben.
    Draußen standen vier Pferde, ausgeruht, gefüttert, getränkt und gesattelt. Sämbilik hielt sie am Zügel, und dann kam der Uralte-Herr.
     Sein rotes Gewand sah schwarz aus, denn noch war es Nacht, und die Sterne flimmerten kalt. Der Pudel lief von einem zum andern;
     er bellte nicht, aber als Dampignak an ihm vorüberging, knurrte er leise.
    »Hund, hierher!«, befahl Christian.
    »Wo ist Juchi?«, fragte Dampignak.

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