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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Bläue des Himmels, und die Erde wurde gelb wie am Tag vorher, als Christian
     nach dem Kompass reiten musste. Das rote Gewand Dampignaks wehte wie eine Fahne.
    Der reichste Mann der Erde, dachte Christian, und es wurde ihm unheimlich.
    »Der Schatz von Edsina«, sagte Mondschein, »ist sein rechtmäßiges Erbe. Dampignak ist ein Hoschot aus dem Geschlecht Araptans.«
    Sie ritten den ganzen Vormittag ohne Unterbrechung. Dampignaksah sich nicht um; er brauchte keinen Kompass. Im Süden lagen Dünen, und Dampignak umritt sie, es ging durch Hügelketten,
     und Dampignak lenkte ohne Zögern in eines der hundert Täler, die alle gleich waren. Nirgends gab es ein Obo, denn es gab auch
     keine Wanderer, die ein Wegzeichen gebraucht hätten. Menschen hatten hier nichts zu suchen.
    Sooft aber Christian heimlich den Kompass aus der Tasche nahm, es war immer dasselbe. Sie ritten nach Südwesten, und zwar
     genau auf den Strich. Einhundertfünfunddreißig hieß die Zahl, und Christian merkte sie sich. Zu Mittag gab es einen Halt.
     Dampignak stieg ab, und Mondschein band die Pferde zusammen.
    Der Uralte-Herr setzte sich zehn Schritte abseits, ließ die Kugeln der Gebetskette durch die Finger gleiten und schloss die
     Augen. Fast sah es aus, als ob er schliefe, aber dann bewegten sich die Lippen ein bisschen, der Daumen schob die nächste
     Kugel über den Zeigefinger, und man sah, dass Dampignak wach war und betete.
    Christian und Großer-Tiger nahmen die Ledersäcke von den Sattelringen, und der Pudel stand erwartungsvoll daneben. Die Zunge
     zitterte im offenen Maul, und der Atem ging heiß und schnell.
    »Armer Hund«, sagte Christian.
    »Hier gibt es kein Wasser«, sagte Großer-Tiger.
    Sie setzten sich neben Mondschein, und Großer-Tiger öffnete den Sack.
    »Ich bin nicht gewohnt, untertags etwas zu essen«, entschuldigte sich Mondschein, aber weil Großer-Tiger ihn bat, nahm er
     aus Höflichkeit ein Weizenbrot. Großer-Tiger und Christian teilten sich auch eins, und Christian öffnete den andern Sack,
     um ein Stück Fleisch für den Pudel abzuschneiden. Er fand das Fleisch, aber auch die Kupferflasche Ohnezehens war in dem Sack,
     und sie war mit Wasser gefüllt.
    »Er muss sie heimlich hineingetan haben«, sagte Christian.
    »Ohnezehens Güte reicht bis zu den Wolken«, sagte Mondschein, »dafür kenne ich ihn. Es tut mir leid«, fügte er hinzu, »dass
     er zurückbleiben musste.«
    »Ist es mir gestattet«, sagte Großer-Tiger, »nach der Ursache zu fragen?«
    »Sie ist einfach genug«, antwortete Mondschein. »Ohnezehens Hass ist abgrundtief und bergehoch, und er würde ihn zur Unbesonnenheit
     hinreißen. Solche Leute können wir bei unserem Unternehmen nicht brauchen. Darum reiten nur wir vier nach Möng-Schui, und
     wenn wir Schong-Ma treffen, wird selbst der Fürst zurückbleiben, bis wir das haben, wonach wir seit zwanzig Jahren suchen.«
    »Ene ju beino?«, fragte Christian.
    »Wir suchen den Familienschmuck des Fürsten«, sagte Mondschein leise. »Seit Schong-Ma dem unglücklichen Ohnezehen zwei Spangen
     zum Kauf anbot, hörten wir nichts mehr davon. Wahrscheinlich hat er noch alles. Der Haarschmuck der Fürstin allein war fünftausend
     Pferde wert. Aber«, sagte Mondschein, »deswegen suchen wir ihn nicht.«
    »Wir verstehen«, sagte Großer-Tiger, »aber wo wird Schong-Ma den Schmuck haben?«
    »Tinger metne«, sagte Mondschein.
    Christian nahm allen Mut zusammen. »Und dann   …?«, fragte er. »Dann muss Schong-Ma sterben«, sagte Mondschein, »diesmal kommt er uns nicht davon.«
    Christian wurde blass. Er hatte gewusst, dass es keine andere Antwort gebe, aber jetzt war sie ausgesprochen statt gedacht,
     und das machte einen schrecklichen Unterschied. Man merkte es erst hinterher. Wenn Glück schrie: »Ich werde Grünmantel totschießen;
     ganz gewiss werde ich das tun«, dann war es ebenso gewiss, dass Glück es nicht tat. Man brauchte ihn bloß bitten und so tun,
     als ob man ihn für einen furchtbaren Kriegsgott hielte, und sofort wurde alles wieder gut. Glück war ein Mensch wie Christian
     und Großer-Tiger. Dampignak aber war ein unerbittlicher Rächer.
    Christian schaute auf Großer-Tiger, aber Großer-Tiger hielt den Kopf gesenkt. Er sagte von unten herauf: »Werter Herr Mondschein,
     wir möchten lieber nicht nach Möng-Schui reiten.«
    »Ihr wollt doch euern Wagen wieder haben«, erinnerte Mondschein.
    »Das möchten wir gerne«, gab Christian zu, »und wir wissen jetzt, dass Grünmantel

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