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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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wenn du einmal hinkommst.«
    »Ich werde daran denken«, versprach Christian.
    Eine Weile später erreichten sie die Passhöhe. Es war ein kurzer Anstieg gewesen, und das Tal war weit. Nach der andern Seite
     senkte es sich tief, und weil es gerade verlief, hatte man einen ungehinderten Ausblick.
    So groß war die Welt noch nirgends gewesen. Man sah bis an ihren zitternden Rand. Allein diese Welt war gelb und tot. Hier
     fiel kein Regen, es schneite keinen Schnee, oder wenn ihn ein Zufall herwehte, war er anderntags aufgesogen und nicht mehr
     da. Im Frühjahr jagten die Monsunwinde über das Land, aber sie trugen die Wolken hoch und eilig weiter, und der Donner hallte
     von fruchtlosen Blitzen, die zornig in den Sand schlugen. Woher in aller Welt das Wasser in die Brunnen kam, war ein Rätsel.
     Es war aber darin, und als die Reiter bergabwärts trabten, lief der Pudel bald voraus. Am Fuß der letzten Hügel in einem Steinkar,
     das kaum mehr eine Neigung hatte, stand er und winselte vor Freude. Er konnte es kaum erwarten, bis Mondschein die Bohlen
     hob und die Säcke wegnahm, die über das Brunnenloch gelegt waren. Der Schacht war mit Weidenzweigen ausgekleidet, und man
     sah bis auf den Grund. Christian und Großer-Tiger schauten sich an, und jeder merkte, dass der andere an Bator dachte und
     an das, was er von dem Brunnenerzählt hatte, den Nicht-gibt-es-nicht am Weißen-Stein mit vieler Mühe gegraben hatte.
    »Wenn die Dinge groß sind, kann man sie betrachten«, sagte Mondschein stolz.
    »Es ist ein durch nichts zu überbietender Anblick«, sagte Großer-Tiger höflich.
    »Jeder Brunnenmacher sollte ihn zum Vorbild nehmen«, sagte Christian; »darf ich mich erdreisten, nach dem Erbauer zu fragen?«
    »Ihr kennt ihn«, sagte Mondschein.
    »Raten ist schwierig«, sagte Christian und tat gedankenvoll, »ich glaube, der Mann wohnt am Edsin-Gol.«
    »Das Wasser fließt ununterbrochen und kommt ans Ziel«, sagte Großer-Tiger, »also ist es Naidang.«
    Mondschein schüttelte den Kopf, denn er wunderte sich. »Warum fragt ihr«, sagte er, »wenn ihr doch alles zum Voraus wisst?«
    »Nur so zum Spaß«, sagte Christian.
    »Wir wissen nämlich«, erklärte Großer-Tiger, »dass die Torgot-Mongolen solche Brunnen bauen.«
    »Da war es nicht mehr schwer«, sagte Christian.
    Nachher, als sie die Pferde getränkt hatten und als der Pudel zufrieden am Boden lag und in die Sonne blinzelte, erzählte
     Christian die Geschichte vom Brunnen am Weißen-Stein, und der Uralte-Herr hörte auch zu.
    »Nicht-gibt-es-nicht«, sagte er, »war ein seltsamer Mann. Er redete mit den Tieren und mit den Steinen, und alle gaben ihm
     fröhlich Antwort. Hier«, und Dampignak schlug mit dem Daschior auf den Boden, »wäre Nicht-gibt-es-nicht keinen Augenblick
     geblieben.«
    Christian und Großer-Tiger schwiegen. Sie wagten nicht zu fragen, und es war auch nicht nötig, denn Dampignak fuhr fort: »Aus
     diesen Bergen, meine Kinder, stammt der Schatz von Edsina. Alles Gold, das je ein Hoschot besaß, wurde hier gegraben. Ein
     Teufel fand es, und Araptan nahm es, weil er mächtig werden wollte wie Dagan. Er sammelte Krieger um sich, aber es waren zu
     wenige, und er sammelte Gold, aber das Gold war zuviel. Wenn Araptan Arbeiter brauchte, brach er in des Kaisers Provinzen und entvölkerte ganze Dörfer. Sie liegen hier unter
     den Steinen begraben. Der Kaiser warnte Araptan, aber er warnte ihn, wie man einen Bruder mit leichtem Unwillen tadelt, denn
     der Kaiser war zufrieden mit Araptan, der so viel Gold für ihn anhäufte und eine Blutschuld auf sich nahm, die dem Kaiser
     einen willkommenen Anlass zum Kriege bot.
    Als Araptan anfing, sich die mongolischen Fürsten mit Geschenken geneigt zu machen, und als seine Krieger zahlreich wurden,
     merkte der Kaiser, dass es Zeit war, denn er war schlau. Er dachte, den Schatz von Edsina zu holen wie ein starker Dieb, der
     die Truhe auf seine Schultern lädt und davongeht. Allein seine Soldaten stürmten eine brennende Stadt, und sie fanden Trümmer
     und Scherben statt Gold. Hier«, sagte Dampignak, und wieder schlug er mit dem Daschior auf den Boden, »begann Araptans Untergang.
     Es ist kein guter Platz.«
    Er stand auf und sagte: »Wir reiten.«
    Mondschein deckte den Brunnen zu, und Christian und Großer-Tiger halfen ihm dabei. Sie blickten sich um, ob sie nirgends etwas
     entdecken könnten, einen alten Schacht vielleicht oder eine Grube.
    Aber die Hügel waren rund, die Berge sahen aus wie

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