Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
Vom Netzwerk:
als wolle er seine Ausläufer
     bis an die Karawanenstraße schicken, war es doch nicht so. Es gab keine Steigung.
    Erst am Nachmittag, als die Schatten länger wurden, fielen die Pferde in Schritt. Es ging einen Hang hinauf. Auch vom Norden
     her schoben sich die Vorläufer von Bergen bis an die Karawanenstraße, und schließlich wurde ein breites Tal aus der Ebene,
     und die Berge trugen Kuppen aus schwarzgrünem Gestein. Es waren Felsenzähne, die den Löss und den Sand und den Kies, der darauf
     lag, durchstießen, um zu zeigen, was das Erdinnere der schwarzen Gobi barg. Im Tal lag dünn angewehter Sand.
    Die Tritte der Kamele von Mas Karawane waren scharf ausgeprägt, zuweilen sah man die Hufspuren einiger Pferde.
    »Ma ist nicht weit vor uns«, sagte Mondschein, »heute Nacht lagert er am Steilhang-Brunnen und morgen in Möng-Schui. Er hält
     seine Verabredung ein.«
    »Wir auch«, sagte Christian.
    »Wie wollt ihr es eigentlich machen?«, erkundigte sich Mondschein.
    »Es ist wie beim Mäusefang«, antwortete Großer-Tiger, »man weiß nicht, ob er in die Falle geht, und man muss es abwarten.«
     »Du meinst: Tinger metne?«
    »Ja, das meine ich.«
    »Was ist in diesem Behälter?«, fragte Christian, und klopfte auf das gewölbte Lederfutteral, das an Mondscheins Sattel hing.
    »Eine Pistole«, antwortete Mondschein, »sie ist dazu da, wenn es pressieren sollte. Man tut das bloß, versteht ihr, weil der
     Mensch sterblich ist. Aber am besten macht man nichts damit. Pistolen dienen auch den Rotbärten nur zur Verzierung, oder damit
     einer Angst kriegt, der in ungestörtem Behagen seine Zeit mit Bosheit verbringen möchte. Natürlich kann man auch schießen,
     aber wer schießt schon gerne? Bloß unbesonnene Leute tun das.«
    »Glück«, sagte Großer-Tiger, »hat uns ebenso belehrt.«
    »Daran sehe ich«, erwiderte Mondschein, »dass er euch heil nach Urumtschi bringen wird. Für heute sind wir da.«
    »Wo?«, fragte Christian, aber es war nicht mehr notwendig zu fragen.
    Der Uralte-Herr bog von der Karawanenstraße ab und ritt nach Süden in die Berge hinein. Nach einer halben Stunde kamen dieschwarzen Kuppen näher, und man sah, dass die Felszacken aus dem Urgrund aufschossen, hüben und drüben und überall. Es war
     wie in einer abseitigen Welt, wo einer schwarze Warnungstafeln mit »Betreten verboten« aufgestellt hat. Dampignak ritt zwischen
     den Felsen durch, und dann dauerte es nicht lange, bis es abwärts ging und in ein Tal hinein, wo es runde Hügel als Begrenzung
     gab, auf dem Grund ein Wässerchen und daneben zwei blaue Reisezelte.
    Wieder einmal war alles vorbereitet. Der rote Rossschweif war aufgerichtet, aber die Zelte waren einfach blau, eins wie das
     andere. Zwei Männer warteten und sie begrüßten Dampignak. Sie sagten: »Es hat sich nichts ereignet. Die Dinge sind im Gleichgewicht.
     Tangat wird nach Mitternacht zum Bericht kommen.« Sie nahmen die Pferde am Zügel, und Dampignak winkte Christian und Großer-Tiger.
    »Seid meine Gäste«, bat er, »teilt mein Zelt. Wir wollen beisammenbleiben, solange es uns vergönnt ist.«
    Als sie beim Tee saßen, brachten die Männer die Reisesäcke und die Tasche Christians.
    Mondschein sagte zu ihnen: »Nehmt den Rossschweif weg, man kann nie wissen.«
    Die Männer blickten auf Dampignak, aber Dampignak widersprach nicht, und so gingen sie.
    Der Uralte-Herr saß unbewegt mit vorgebeugtem Haupt und starrte ins Feuer. Sein Daumen schob eine Kugel der Gebetskette nach
     der andern über den Zeigefinger, manchmal bewegten sich die Lippen, aber sie blieben stumm. Die Lider senkten sich über die
     Augen. Nur ein Spalt blieb offen.
    Christian und Großer-Tiger verließen das Zelt, um die Hügel zu betrachten und nachzusehen, woher das Wässerchen kam und wo
     es verschwand.
    »Es ist gut, dass er nicht dabei ist«, sagte Christian und zupfte einen Derreshalm ab, der von einem abgefressenen Büschel
     übriggeblieben war.
    »Er hätte nicht durchhalten können«, gab Großer-Tiger zu, »wir sind scharf geritten.«
    »Und er hätte womöglich gebellt, wo er nicht sollte.«
    »Mir scheint, es darf niemand wissen, dass wir hier sind«, sagte Großer-Tiger.
    »Mondschein hat sogar den Rossschweif wegnehmen lassen.«
    »Die Herren sind eben vorsichtig«, meinte Christian, und er warf einen Blick in das Zelt nebenan. Es stand offen.
    Einer der Männer saß am Feuer und kochte das Abendessen.
    »Ene ju beino?«, fragte Großer-Tiger.
    »Nudeln«, antwortete

Weitere Kostenlose Bücher