Großer-Tiger und Christian
alten Dolch mit Silbergriff in den Gürtel, und Mondschein zeigte Christian und Großer-Tiger, wie man es
machte.
»Wir drei«, sagte Dampignak, »tragen jetzt den gleichen Dolch, ich habe eure dem meinen nachbilden lassen, als ich von Pfötchen
erfuhr, wie tapfer ihr den Wolf besiegt habt.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er mit raschen Schritten das Zelt, und Mondschein folgte ihm.
Als sie am Gästezelt vorbeikamen, machte Mondschein halt und sagte: »Seid nicht bekümmert, es wird ihm nichts geschehen, aber
jetzt sollt ihr ihn anbinden.«
»Hund, komm her!«, rief Christian.
»Armer Hund«, sagte Großer-Tiger und streichelte den dicken Kopf, während Christian ihm das lederne Halsband umlegte, das
Mondschein bereit hielt. Es war alles da. Die Kette, die aneinem Ring festgemacht war, und der Ring, der in den Sockel des Gästezelts eingelassen war.
»In vier Tagen kommen Glück und Ungemach«, tröstete Mondschein.
»Und Ohnezehen«, fügte Christian hinzu.
»Sagt ihm, dass er eure Sachen gut bewachen soll.«
»Und die Pistole?«, fragte Christian.
»Auch die Pistole«, sagte Mondschein, »es genügt, wenn ich eine habe.«
»Hund«, ermahnte ihn Großer-Tiger, »wir gehen jetzt, und du sollst nicht traurig sein.«
Aber der Pudel wollte mit. Er richtete sich an der Kette auf, er bellte und begann jämmerlich zu klagen, und das Halsband
würgte ihn. Christian ging noch einmal zurück, da legte ihm der Pudel die Pfoten auf die Schultern, und so umarmten sie sich.
Im Hof neben der Kasematte waren alle Pferde fort bis auf vier, die gesattelt mitten auf dem Platz standen und von einem untersetzten
derben Mann am Zügel gehalten wurden. So sah es aus, aber es war anders, denn er hielt nur drei Pferde, und das vierte hielt
Donnerkeil. Doch das sah man erst beim Näherkommen. Das vierte Pferd war der braune Hengst mit der hellen Mähne und dem hellen
Schweif.
Dampignak saß gleich auf, und Mondschein hatte kaum mehr Zeit, Großer-Tiger und Christian dem untersetzten Mann vorzustellen.
Er trug einen dicken schwarzen Schnauzbart, und Mondschein sagte, dass er Djamiën-surun heiße und der Burgvogt sei.
»Steigt immer auf«, sagte Djamiën-surun wohlgelaunt, »ich habe euch die besten Pferde ausgesucht. Keine Angst, die halten
mit ihm Schritt.« Damit meinte er den Hengst, den Donnerkeil eben losgelassen hatte.
»Sä Jabonah!«, brüllte Donnerkeil dem Uralten-Herrn nach, und dann kam er eilends herbei und breitete die Arme aus. »Oh, ihr
meine jüngeren Brüder«, rief er donnernd, und nacheinander umarmte er Christian und Großer-Tiger, die sich ihm vom Sattel
aus entgegenneigten, »werden wir uns wiedersehen in diesem Leben etwa?«
Tränen standen ihm in den Augen, und plötzlich zerrte er an seinen dicken Fingern, als wolle er sie ausreißen.
»Vielmals entschuldigen«, rief er, »wegen grober Beleidigung und Nichtachtung. Haddak in großer Eile nicht vorhanden, aber
herzliches Gedenken von armem Lama Donnerkeil.«
Dabei steckte er Christian den Silberring, den er am kleinen Finger getragen hatte, auf den Daumen, und Großer-Tiger kriegte
den andern, den Donnerkeil am Mittelfinger gehabt hatte. Er passte nirgends hin.
»Nicht gut angemessen«, jammerte Donnerkeil, aber da trabte Mondschein los, und Christian und Großer-Tiger folgten ihm.
»Sä Jabonah«, brüllte Donnerkeil schmerzlich, »Sä Jabonah«, rief Djamiën-surun ungerührt, und »Sä Jabonah« rief es von allen
Mauerkronen und vom Turm.
Zwischenhinein hörte man das Heulen und Winseln des Pudels. Im Torweg verschluckte das Dröhnen der Hufe und der Widerhall
von den Wänden jeden andern Lärm. Die Wachen grüßten mit dem Säbel, und es ging den Hügel hinunter. Das Torwächterhaus blieb
zurück, der niedere Rundturm mit den Maschinengewehren fiel keinem mehr auf, und dann waren sie auch schon draußen, und jagten
dem Uralten-Herrn nach, der weit voraus ritt und sich nicht umblickte. Er folgte der Karawanenstraße, die nach Westen zog.
Siebenundvierzigstes Kapitel, mit neuer Nachricht von Herrn Grünmantel
Die schnellen Pferde legten eine Strecke zurück, die Christian anfangs zu schätzen versuchte, doch er gab es bald auf.
»Kann man in einer Stunde zwanzig Li reiten?«, fragte er Großer-Tiger, aber Großer-Tiger wusste es nicht.
»Ich glaube, unsere Pferde können mehr«, sagte Christian.
Der Weg war eben, obgleich der Bergzug vom Süden her wieder näher kam. Jedes Mal, wenn es schien,
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