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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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dem
     Hügelland und der Festung lag das schmale Stück Ebene im Sternenschimmer. Der versandete Wassergraben, den Mondschein durchschritten
     und durchkrochen hatte, lief wie ein Strich darüber hin.
    Mondschein hörte, wie hinter seinem Rücken die Arbeit begann. Christian kroch als erster in das finstere Loch, das schrägnach oben führte. Mit beiden Händen warf er den Sand zwischen den Beinen durch, und Großer-Tiger beförderte ihn weiter.
    »Geht es oder geht es nicht?«, fragte Mondschein.
    »Bis jetzt geht es«, antwortete Christian dumpf aus der Höhle, »aber das Rohr wird enger, und vor mir liegt Dunkelheit und
     kein Licht.«
    »He, Kompass-Berg!«, rief Mondschein plötzlich, »wenn es an dem ist, so nimm den Daschior und stoße ein bisschen vor dir her.
     Für alle Fälle, verstehst du!«
    »Für welche Fälle?«, fragte Großer-Tiger, der es genau wissen wollte.
    »Eigentlich«, gab Mondschein zu, »meine ich nur einen Fall. Es könnte nämlich sein, dass ein Fuchs in dem Loch ist, verstehst
     du, so was kommt vor.«
    »Ach so«, sagte Großer-Tiger, und dann kroch er geschwind bis dahin, wo Christian war und reichte ihm den Daschior. »Mondschein
     sagt«, berichtete er, »es wäre für den Fall, wenn dir ein Fuchs begegnete.«
    »Keine Sorge deswegen«, sagte Christian, »wo ein Fuchs ist, stinkt es, aber das tut es hier nicht.«
    »Was hat er gesagt?«, erkundigte sich Mondschein, als Großer-Tiger mit einer Ladung Sand wiederkam. »Die Sauberkeit der Luft«,
     setzte Großer-Tiger auseinander, »ist durch keinen Gestank getrübt.«
    »Trotzdem soll er aufpassen«, knurrte Mondschein, und Großer-Tiger kroch wieder in das Loch und ermahnte Christian, Obacht
     zu geben.
    »Es ist was im Weg«, sagte Christian, »das nicht weg will.«
    »Vielleicht ein Stein«, sagte Großer-Tiger.
    »Ein Stein ist es nicht«, erwiderte Christian, »oder ist es doch einer?«
    Er nahm den Daschior, stemmte ihn gegen die Brust und versuchte mit aller Gewalt, das Hindernis fortzuschieben. Plötzlich
     gab es ein dumpfes Gerumpel, Lehmbrocken fielen von der Decke und ein dichter Staub füllte den Schacht.
    »Was gibt’s?«, rief Mondschein erschrocken, als die Staubwolken aus der Höhle quollen.
    Großer-Tiger konnte nicht antworten und Christian erst recht nicht.
    Er konnte überhaupt nur mit den Beinen zappeln, weil er unter einem Lehmhaufen lag und keine Luft kriegte. Hinter ihm fasste
     Großer-Tiger nach den zappelnden Beinen und zog, aber die Stiefel blieben ihm in den Händen. Großer-Tiger wurde es heiß. Er
     warf die Stiefel zur Seite und griff von neuem nach den Beinen. Er zog und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er stemmte sich
     gegen die Wände des Schachts, und er spürte, dass er selbst nicht mehr konnte, weil ihm die Luft ausging. Zwei Augenblicke
     lang dachte Großer-Tiger, dass sie jetzt miteinander sterben müssten. »Weit von der Heimat«, dachte Großer-Tiger verzweifelt,
     aber da spürte er, wie auch ihm jemand die Stiefel auszog.
    »Festhalten!«, rief Mondschein, doch es war als ob er flüsterte, so dick war die Luft. Großer-Tiger hielt fest. Er krallte
     die Finger um die Knöchel, die er in der Hand hielt, und gleich darauf wurde er in die Länge gezogen. Großer-Tiger fühlte
     sich wachsen, aber es tat weh. Dann gab es plötzlich einen Ruck, dann noch einen, und nachher wurde er durch die Höhle geschleift
     und Christian hinterdrein, denn Großer-Tiger ließ nicht los. Er spürte glücklich einen frischen Luftzug wehen, und dann kniete
     Mondschein neben ihm. »Lass fahren«, sagte Mondschein grob, und Großer-Tiger öffnete die verkrampften Finger. Eine Weile lag
     er so. Dann fiel ihm ein, was geschehen war, und er tastete durch die Dunkelheit nach dem Ausgang. Da saß Mondschein und hielt
     Christian auf dem Schoß. Er wischte ihm den Staub vom Mund, und Christian atmete und schlug die Augen auf.
    »Nicht schimpfen«, bat Großer-Tiger.
    »Wer sagt denn, dass ich schimpfen will«, knurrte Mondschein, »ich will euch doch umarmen.«
    Er zog Großer-Tiger zu sich an den Rand des Wassertors, wo es den Hügel hinunterging, und da saßen sie, bis die Herzen langsamer
     schlugen und bis Mondschein sagte: »So was kommt, weil der Mensch sterblich ist. Na, mit diesem ›In die Erde kriechen‹ ist
     es jetzt vorbei.«
    »Ich glaube«, wandte Großer-Tiger zaghaft ein, »der Kanal ist frei. Ich spürte einen Luftzug.«
    »Luftzug hin oder her«, sagte Mondschein ernst, »jetzt wird hier

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