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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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so ein Blatt«, sagte Mondschein lachend.
    »Lebt wohl, Hauptmann«, rief Dampignak, und dann trabten sie dem rückwärtigen Teil des Tales entgegen, wo es eng wurde, und
     wo die Schlucht begann, in der Mondschein die Nacht verbracht hatte. Auch hier standen alte Weiden, und ihre Schösslinge umrahmten
     die Stelle, an der der Bach durch den Kies drückte und ein bisschen plätscherte. Der Geruch von feuchter Erde und nassem Gestein
     wehte vorüber wie eine Erinnerung an die ferne Welt, in der es Pflanzen und Tiere gab.
    Sie stiegen ab und führten die Pferde über das Geröll in die Schlucht. Es war, wie Kao-Scheng gesagt hatte. Mit ausgebreitetenArmen konnte man die anstehenden Wände berühren, und der Pfad führte steil empor. Es war mühsam, ihn zu gehen, die Pferde
     stolperten, und man sah, dass es selbst für eine Kamelkarawane nicht leicht war, hier durchzukommen. Aber Kamele gehen bedachtsam
     und ruhig, und der Pfad verhieß Sicherheit. Er führte nach Norden, wo die Wüste, Gott weiß wo, zu Ende ging. Einmal würde
     es wieder Gras geben und Bäume, Zelte und weiße Klöster und schließlich ganze Städte, Uljassutai und das noch fernere Kobdo.
     Man musste sich nur an den Pfad halten.
    Nach kaum zehn Minuten war der Engpass überwunden, und der blaue Himmel kam näher. Der Weg machte eine scharfe Wendung nach
     Osten; man konnte wieder reiten. Bald erreichten sie die Stelle, wo Mondschein am Nachmittag abgestiegen war, und dann war
     es nur noch ein Li.
    Dampignak hielt, und alle stiegen ab.
    »Nur der Himmel weiß«, sprach der Uralte-Herr, »ob es einen Weg gibt, der uns nochmals zusammenführt. Meint er es gut mit
     mir, werdet ihr den Räuberfürsten Dampignak als einen andern wiedersehen.«
    Er umarmte Christian und Großer-Tiger.
    Als Mondschein sich zu ihnen niederbeugte, war sein Gesicht von Tränen nass.
    »Bitte, bitte nicht weinen«, bat Christian, »sonst muss ich laut heulen.«
    Er schaute nach Großer-Tiger, und er sah, dass auch seine Augen feucht waren, denn Großer-Tiger hatte Mondschein liebgewonnen.
     Eine Weile blickte der Uralte-Herr auf das zerklüftete Plateau hinüber, als ob es da was gäbe. Dann stieg er auf. Mondschein
     nahm die ledigen Pferde von Christian und Großer-Tiger, er band die Zügel zusammen und löste den Ledersack, in dem das Kästchen
     war, aus den Sattelringen. Er legte ihn vor sich und hielt ihn mit der Zügelhand fest.
    »Ihr kriegt den Reisesack gefüllt wieder«, versprach Mondschein.
    Christian trat vor Dampignak und sagte: »Wir haben etwas vergessen, und ich will es sagen, bevor es zu spät ist. Der MongoleNaidang vom Torgot-Stamm, den man den Bilderbogen nennt, grüßt mit dem Fußfall der Verehrung. ›Der Uralte-Herr‹, sagte er,
     ›möge seinem Boten den Umweg über den Alten-Märin ersparen und die Silberbatzen lieber gleich dem Mongolen Naidang senden,
     der am Närin-Gol wohnt.‹«
    »Es ist geschehen«, erwiderte Dampignak lächelnd, »der Bilderbogen hat sein Geld.«
    Dann hob er den Daschior zum Gruß, Großer-Tiger und Christian riefen laut: »Sä Jabonah!«, und sie riefen noch viele Male,
     bis sie nur noch Staub sahen und dann nichts mehr. Da waren sie allein in der großen Steinwüste, und der blaue Himmel war
     wolkenlos. Christian wollte was sagen, aber weil er mehr geweint hatte als Großer-Tiger, nahm er sich vor, wenigstens nicht
     als Erster zu reden.
    Also saßen sie schweigend am Wegrand, und Christian entdeckte die Spuren, wo sie tags zuvor auf den Berg gestiegen waren.
     Er folgte ihnen mit den Augen bis zu dem Steinkar, in dem sie sich verloren, und weiter oben sah man sie auch nicht mehr.
    »Ich wollte, Glück wäre hier«, sagte Großer-Tiger.
    »Oder bloß der Hund«, sagte Christian.
    Sie standen auf und gingen den Weg zurück. Bei jedem Schritt mussten sie die schweren Reiterstiefel mit Anstrengung heben,
     sonst schlurften sie am Boden. Abwärts durch die Schlucht ging es besser. Fast von allein rutschten die Stiefel über das Geröll.
     Als die Felsen auseinander traten und als die kühle Luft vom Wasser her wehte, sahen Großer-Tiger und Christian zwischen den
     Weidenbäumen den Wagen stehen. Aber die Pferde waren fort, und nur ein Mann saß an dem ausgehenden Feuer.
    »Kasim«, sagte Christian.
    »Aber die andern«, fragte Großer-Tiger, »und die Pferde?«
    »Kao-Scheng ist es unheimlich geworden«, vermutete Christian, »er wird zum alten Lagerplatz zurückgekehrt sein.«
    »Kao-Scheng fürchtet, am Mittag

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