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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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den Polarstern zu sehen«, sagte Großer-Tiger, »die Festigkeit der Backenknochen ist ein Ding,
     das ihm fehlt.«
    »Man kann es ihm nicht verübeln«, sagte Christian, »Fallende-Wand ist kein guter Ort.«
    Kasim kam ihnen entgegen. Er war heiter, und sein Mund formte weiche wohlklingende Worte, die Christian und Großer-Tiger nicht
     verstanden. Erst als er die Zeichensprache zu Hilfe nahm, begriffen sie, dass es so war, wie sie vermutet hatten. Kao-Scheng
     war zu den Tümpeln hinter dem Berg zurückgekehrt. Aber Kasim blieb bei ihnen.

Zweiundfünfzigstes Kapitel, das voll von vorhergesehenen und unvorhergesehenen Ereignissen ist
    Die drei Tage, von denen Mondschein gesprochen hatte, vergingen. Christian und Großer-Tiger reinigten den Motor, so gut sie
     konnten, sie machten den Wagen so sauber, wie es irgend ging, und sie leerten das Wasser aus den Kanistern, damit die Last
     geringer wurde, und das machte viel aus. Sie legten das Fass um und schauten nach, was darin war. Es war Benzin. Kasim half
     die Reifen aufpumpen, denn das war eine schwere Arbeit, und außerdem ritt er zweimal am Tag, um das Essen bei Kao-Scheng zu
     holen. Manchmal löste ihn Christian oder Großer-Tiger ab, und Kao-Scheng fragte jedes Mal, ob Glück gekommen wäre. »Noch nicht,
     Herr Hauptmann«, sagte Christian, oder: »Wir bitten um eine kleine Weile Geduld«, sagte Großer-Tiger.
    Allein, Kao-Scheng hatte gar keine Eile.
    Hu war am dritten Tag aus Hsing-Hsing-Hsia mit einer Menge guter Sachen zurückgekehrt, und deshalb fragte Kao-Scheng nur der
     Ordnung halber.
    Der vierte Tag verging, und Glück kam nicht. Christian nahm das dickste Heft aus der Ledermappe und begann zu schreiben.
    »Was tust du?«, fragte Großer-Tiger.
    »Ich schreibe ein Tagebuch«, erklärte Christian, »und ich hätte das schon längst machen müssen. Jetzt hole ich alles nach.
     Es ist eine Menge Arbeit.«
    »Warum musst du das machen?«, erkundigte sich Großer-Tiger.
    »Damit ich später weiß, was passiert ist, wo wir waren und ob die Sonne schien oder ob es stürmte und schneite.«
    »Das hat es alles getan, und ich dachte schon nicht mehr daran.« »Siehst du«, sagte Christian, »deshalb muss man es aufschreiben.«
    Großer-Tiger war nicht überzeugt. Er setzte sich in die Sonne, während Christian fleißig Seite um Seite schrieb. Kasim sammelte
     schwarze und weiße Steine, und weil keine Arbeit mehr zu verrichten war, fegte er einen Platz neben dem Wagen sauber und zeichnete
     mit einem Schraubenschlüssel auf den festen Boden ein Viereck, das er in viele Quadrate teilte. Dann spielte er mit Großer-Tiger
     Dame, bis es Abend wurde; aber Glück kam nicht.
    »Ming-tien«, sagte Großer-Tiger.
    »Margatter«, sagte Christian.
    »Inschallah«, erwiderte Kasim, der von dem, was Menschen tun oder lassen können, nicht viel hielt.
    Auch der fünfte Tag neigte sich zum Abend. Großer-Tiger hatte in der Sonne gelegen, Christian hatte geschrieben, und Kasim
     war eben weggeritten, um das Essen zu holen.
    Großer-Tiger und Christian waren dabei, die Baumwolle, die sie aus dem Graben genommen hatten, für das Nachtlager auszubreiten,
     als von der Schlucht her Gepolter und Steinschlag ertönte. Bevor Christian »Das ist Glück« sagen konnte, fegte etwas Schwarzes
     unter den Weiden entlang, und dann hörte man, wie einer ohne Aufhören Wasser schlabberte.
    »Hund, komm her!«, riefen Großer-Tiger und Christian. Da kam der Pudel auf sie zugestürzt. Er sprang dem einen und dann dem
     andern auf die Schulter, er drehte sich im Kreis, er bellte in einem fort laut, schrecklich laut sogar, und gewiss wäre Kao-Scheng
     erschrocken, wenn er es gehört hätte.
    Aber Fallende-Wand rührte sich nicht.
    Christian und Großer-Tiger liefen Glück entgegen, der als Erster den Hohlweg herunterkam. Er war aber nicht abgestiegen. Stolz
     saß er auf dem hochmütigen Kamel, das die Oberlippe warf, mit den Vorderbeinen rutschte und mit der Hinterhand den Geröllhang
     herabsteuerte. Glück trug die Pistole mit der roten Seidentroddel wieder, und er sah imponierend aus. Er saß sehr aufrecht
     im Sattel.
    Nach ihm kam Ungemach, aber Ungemach ging zu Fuß, weil er die Kamele führte, die beladen waren, und den Schluss bildete Ohnezehen,
     der das Kamel Christians ritt.
    »Na, da seid ihr ja«, sagte Glück und stieg ab. Er hatte sich vorgenommen, beleidigt zu sein, weil er nirgends dabei gewesen
     war, weder in Möng-Schui noch in Fallende-Wand, und Mondschein hatte ihm

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