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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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schon haufenweise zur Tugend bekehren.«
    Er blickte auf Dampignak, was der dazu sage, aber der Uralte-Herr schaute nach der Felswand, wo die niedergebrochenenBlöcke auf die alten gestürzt waren und die Höhle verschüttet hatten. Vor dem Eingang lag ein Berg.
    »Kao-Scheng kommt«, sagte Christian.
    Am Taleingang sah man sie auftauchen. Einer ritt hinter dem andern in vorsichtigem Schritt, und der Letzte führte das Packpferd.
     Alle blickten nach der geborstenen Felswand, an der die abgestürzten Platten zackige Ränder und große hellbraune Flecken hinterlassen
     hatten. Jeden Augenblick erwarteten sie einen neuen Einsturz.
    Kao-Scheng nahm sich zusammen. »Frieden und Ordnung sind eingekehrt«, rief er halblaut, »und ich hörte von unermesslicher
     Beute. Die Diebe«, sagte er lächelnd, »haben uns die Mühe des Einpackens erspart. Nie wurde ein größerer Sieg errungen.«
    »Darüber muss gesprochen werden«, erwiderte Dampignak. Und er bat Kao-Scheng und seine Leute, sich in einem Kreis um ihn zu
     setzen.
    »Weil wir«, begann Dampignak, »als erste in Fallende-Wand eindrangen   …«
    »Und Kasim«, erinnerte Kao-Scheng.
    »Und Kasim«, gab Dampignak friedfertig zu, »gewannen wir das Recht auf die Verteilung der Beute. Die Verbrecher liegen erschlagen
     unter den Felsen, und nichts blieb übrig als der Sattel und das Zaumzeug des Esels. Wir sprechen es Kasim zu.«
    »Aber das viele Silber«, fragte Kao-Scheng bestürzt, »wie ist es damit?«
    »Es wird seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben«, erwiderte Dampignak, »denn wir befinden uns in seinem Land, in dem die
     Gesetze und Verordnungen der alten Weisen regieren. Ihr, Hauptmann Kao-Scheng, seid dafür verantwortlich, dass nicht ein Silberschuh
     abhanden kommt von allen, die auf dem Wagen liegen. Dieses gilt für Euch. Mondschein und wir kommen aus dem Land, in dem unsere
     Gesetze gelten. Eines davon lautet: ›Was ein Herr der Berge ergreift, ist sein.‹ Also ist die Kanne mit den acht Silberbarren,
     die Mondschein vom Wagen hob, unser Eigentum, und wir verfügen darüber. Kommt Euch diese Teilung gerecht vor, Hauptmann?«
    »Sie ist gerecht«, sagte Kao-Scheng tief enttäuscht.
    »Anerkennung und Ruhm werden Euren Taten folgen«, tröstete Dampignak. »Für heute lasst Euch mit einer Kleinigkeit genügen.
     Wir bestimmen, dass die acht Silberbarren verteilt werden. Jeder von Euren Leuten erhält einen, Ihr als der Anführer bekommt
     zwei, und mit dem letzten sollt Ihr einen Eurer Männer nach Hsing-Hsing-Hsia senden, damit er einkauft, was man für ein paar
     festliche Tage zu essen und zu trinken notwendig braucht. Er soll das Packpferd mitnehmen.« Als Dampignak so gesprochen hatte,
     hellte sich das trübe Gesicht Kao-Schengs augenblicklich auf.
    »Zehntausendfachen Dank für himmelhohe Güte«, rief er begeistert. »Seit unser ärmliches Dasein begann, widerfuhr uns kein
     solches Glück.«
    Er verneigte sich tief, und nacheinander traten seine Leute vor Dampignak und dankten mit Stirnaufschlag für das Geschenk,
     das ihnen Mondschein aushändigte.
    »Jetzt wollen wir essen, was da ist«, sagte Dampignak.
    Die Männer Kao-Schengs luden das Packpferd ab, und dann machten sie weit genug vom Wagen entfernt ein Feuer am Bachrand. Christian
     und Großer-Tiger gingen Holz holen, und Mondschein zeigte ihnen, wo sie es finden konnten. Hinter der Sandbank, vor der der
     tote Esel lag, standen alte sturmgebeugte Weiden neben vielen jungen Trieben, die wie Derresgras aus dem feuchten Grund schossen.
    »Wie war die Sache heute Nacht?«, fragte Mondschein wissbegierig, »ich sah vieles, aber alles sah ich nicht, denn ich war
     weit weg.«
    »Es war so und so«, sagte Christian, und dann erzählte er Mondschein, was er wusste, und Großer-Tiger fügte hinzu, was Christian
     vergaß.
    »Aber das Ding«, fragte Mondschein, »ich meine das, was Schlangenfrühling von Schong-Ma geschenkt kriegte. Wie ist es damit?«
    »Ach so«, sagte Großer-Tiger, »darüber wissen wir leider nichts.«
    »Schlangenfrühling ist tot«, sagte Christian, »und man kann ihn nicht mehr fragen, wofür er ›Zehntausendfachen Dank‹ sagte.«Sie nahmen die Äste und das trockene Holz, das sie aufgesammelt hatten und schleiften es hinter sich drein. Als sie an dem
     Platz vorbeikamen, wo der tote Esel lag, sah Christian etwas blinken. Es lag gleich neben dem Esel in dem grauen Kies, aus
     dem sich Schlangenfrühling herausgewälzt hatte. Der glänzende Rand zeigte, dass

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