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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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gekommen waren. Sie jagten über die Berge, und manchmal verhüllten sie die zerfallenen Wachttürme auf den
     Höhen.
    »Das ist schlecht«, sagte Glück besorgt. »Ist es aber auch wahr?«
    »Lo-Tjang sagt die Wahrheit«, rief Christian, »auch wenn Herr Grünmantel ihn einen Lügner schimpft.«
    »Ich danke dir«, sagte Lo-Tjang.
    »Na, dann vorwärts!«, rief Glück; »alte Schäfer kennen sich mit dem Wetter aus. Schnell! schnell!« Er half Christian und Großer-Tiger
     auf den Wagen steigen, und als sie oben waren, ging er nach vorn, um den Motor anzuwerfen.
    »Ich wünsche viel Glück«, sagte Lo-Tjang leise, »und wenn ihr in Tsagan-Tscholo seid, dann fragt nach Dogolon!«
    »Wir werden ihn vor Grünmantel warnen«, versicherte Christian. »Spricht Dogolon chinesisch?«
    »Er wird euch verstehen. Aber ihr sollt in allen Dingen vorsichtig sein, denn es wird bald schneien.«
    Christian wollte fragen, was der Schnee mit dem Vorsichtigsein zu tun habe, und ob Dogolon das wisse; aber der Motor begann
     zu brummen, und Glück tutete schrecklich, obgleich kein Mensch im Wege war.
    Christian und Großer-Tiger zogen die Pelzmäntel an, weil Lo-Tjang vom Schneien gesprochen hatte. Als sie sich nach ihm umblickten,
     ging er die Stufen zum Tempel hinauf und holte seinen Stock.
    Der Wagen kam rasch in Fahrt. Nach hundert Metern sanfter Steigung war die Passhöhe erreicht. Hier weideten die Schafe, auf
     die Lo-Tjang achtgeben musste. Sie standen gedrängt auf einem Haufen, hoben die Köpfe, als der Wagen vorbeifuhr, und blökten.
     Ein großes, schwarzes Tier umkreiste sie flink wie ein Teufel, und seine Locken flogen.
    »Ist das ein Hund?«, fragte Christian.
    »Es muss wohl einer sein«, sagte Großer-Tiger.

Dreizehntes Kapitel, in dem wir zum Glück den Vater von Kleiner-Schneevogel finden
    Bis jetzt hatte es Täler und Höhen, Schluchten, Felsen und viele Steine gegeben, und nun gab es auf einmal gar nichts als
     eine Hochfläche, auf der Glück rasch vorwärtskam. Eine Zeitlang begleiteten die alten Wachttürme den Weg. Man sah die Reste
     der »Kleinen Mauer«, die zu den Türmen gehörte, aber viel war nicht von ihr übriggeblieben. Ein ernsthaftes Bauwerk wie die
     Große Mauer war die Kleine Mauer wohl nie gewesen, eher ein Vorwerk, das die Mingkaiser für ihre Soldaten gebaut hatten, damit
     sie sich vor dem Angesicht der Steppe nicht zu fürchten brauchten.
    Schon nach zehn Minuten Fahrt war Seestadt erreicht. Eine Stadt war es allerdings nicht, und Glück fuhr zwischen den paar
     Häusern durch, so rasch es ging, und mit so viel Staub und Lärm wie nur möglich. Auch einen See gab es nirgends.
    »Das ist komisch«, sagte Christian. Er hatte das Südliche-Blatt vor sich auf den Knien liegen und arbeitete stark mit dem
     Vergrößerungsglas.
    »Nein, das ist nicht komisch«, behauptete Großer-Tiger. »Es ist eben so.«
    »Warum ist es so?«, fragte Christian.
    »Weil es ein Name ist, wie du einen hast, und wie ich einen habe. Ich bin Großer-Tiger, und das ist auch nur so. Eigentlich
     bin ich klein, und ein Tiger sieht anders aus, und hierherum gibt es nirgends mehr welche. Wie heißt der nächste Ort?«
    »Pfahlheim«, verkündete Christian. Er war froh, dass Großer-Tiger das Thema wechselte und seinen schönen Namen Kompass-Berg
     in Ruhe ließ.
    »Pfahlheim«, sagte Großer-Tiger verächtlich, »ist kein Name.«
    »Ach«, sagte Christian, und mehr sagte er nicht, weil er Angst hatte, dass Großer-Tiger nun doch auf Kompass-Berg zu sprechen
     käme.
    »Pfahlheim ist nur eine Bezeichnung«, erklärte Großer-Tiger, »man merkt es gleich, woher sie kommt. Sicher ist Pfahlheim ein
     ganz neuer Ort, und wahrscheinlich sind es nur ein oder zwei Häuser, in denen die Leute wohnen, die auf die Telegrafenlinie
     achtgeben müssen.«
    »Trotzdem ist sie nicht in Ordnung«, bemängelte Christian und warf einen schrägen Blick auf die Pfähle mit den zerrissenen
     oder tief herabhängenden Drähten, die seit Seestadt dem Karrenweg folgten.
    »Es gibt keine Hilfe«, sagte Großer-Tiger, »sie ist zerstört.«
    Das war sie auch, und sie bot einen trostlosen Anblick. Was früher eine schön ausgerichtete Linie von Telegrafenstangen war,
     wackelte wüst durcheinander. Manche lagen am Boden, andere waren überhaupt nicht vorhanden, und es gab welche, die an den
     Drähten in der Luft schwebten. Irgendeiner hatte Holz für sein Feuerchen gebraucht, und da hatte er die Stange einfach abgeschnitten,
     so hoch er langen

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