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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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bis jetzt nicht gekonnt, weil ich ihm stets zuvorgekommen bin und Bators Vater gewarnt habe. Da hat er seine Kamele
     fortgetrieben, und Grünmantel hatte das Nachsehen. Aber heute fährt Grünmantel mit dem Wagen, der von selber geht, und kein
     Pferd läuft so schnell, dass es vor ihm am ›Weißen-Stein‹ wäre.«
    »Du meinst in Tsagan-Tscholo«, verbesserte Großer-Tiger.
    »Das ist dasselbe«, erklärte Lo-Tjang; »Tsagan-Tscholo ist ein mongolisches Wort, und es heißt Weißer-Stein. Versteht ihr
     denn nicht mongolisch?«
    »Nein«, bekannte Christian, »diese Sprache sprechen wir nicht.« Lo-Tjang schüttelte den Kopf. »Das ist schlimm. Wie wollt
     ihr durch die Steppe reisen, wenn ihr nicht wisst, dass tsagan ›weiß‹ bedeutet und dass Tscholo ein Stein ist?«
    »Wir werden uns Mühe geben zu lernen«, sagte Großer-Tiger, »aber jetzt ist nicht die richtige Zeit dazu. Du sollst uns lieber
     von Grünmantel und von Bator erzählen.«
    »Es gibt keine Hilfe«, sagte Lo-Tjang düster; »es handelt sich auch nicht um Bator, sondern um Bators Vater, und der heißt
     Serrath. Aber niemand nennt ihn so. Alle Leute sagen Dogolon zu ihm, weil er ein lahmes Bein hat.«
    »Erzähle schnell!«, bat Großer-Tiger; »hörst du denn nicht, dass sie nahe sind?«
    »Sie sind in der dritten Kurve«, sagte Lo-Tjang ungerührt, »und es gibt doch keine Hilfe.«
    »Wir könnten Dogolon warnen«, schlug Christian vor.
    »Ihr?«, fragte Lo-Tjang, und dabei blickte er wieder so höhnisch wie schon einmal.
    Doch dann besann er sich. »Ich will euch erzählen«, sagte er schnell.
    »Es war vor zwei Jahren um die gleiche Zeit wie jetzt. Da kam Grünmantel mit dreihundert Kamelen aus Sinkiang zu uns nach
     Weißer-Stein. Sie hatten Baumwolle geladen, aber unterwegs in der Wüste hatte Grünmantel einige Kamele verloren. Er ging zu
     Dogolon und handelte mit ihm. ›Verkaufe mir zehn Kamele‹, sagte er, ›ich ziehe die Passstraße hinunter nach Kalgan; da muss
     ich die Lasten verringern und auf mehr Kamele verteilen, sonst geht es nicht. Willst du sechzig Silberbatzen haben?‹ Dogolon
     hatte noch nie einen so vorteilhaften Handel gemacht, und er verkaufte die zehn besten seiner Kamele, das Stück für sechzig
     Silberbatzen. Es blieben ihm immer noch zwölf Kamele, denn er besaß zweiundzwanzig. Grünmantel zog am nächsten Tag weiter
     und machte Lager bei Seestadt. Anderntags wollte er mit der ausgeruhten Karawane den Pass begehen.
    Da gab es in der Nacht einen Schneesturm, und die Hälfte von Grünmantels Kamelen erfror, weil sie nicht genug Filzdecken hatten,
     und weil sie von der langen Reise entkräftet waren. Als Grünmantel in Kalgan eintraf, lief er gleich zum Yamen und verklagte
     Dogolon, er habe ihm zehn schlechte Kamele verkauft, sonst wären sie nicht erfroren. Sie waren aber gar nicht erfroren.
    Dogolon hat alle die toten Kamele bei Seestadt gesehen, und seine zehn waren nicht darunter. Doch der Richter in Kalgan war
     ungerecht. Er sandte bewaffnete Büttel   …«
    »Sie kommen!«, rief Christian und sprang auf.
    »Ich wusste es ja«, sagte Lo-Tjang, »es gibt keine Hilfe.«
    Alle drei schauten die Straße hinab, wo der Lastwagen eben um die letzte Biegung fuhr. Der Wirt lief strahlend voraus, er
     hüpfte von einem Bein auf das andere, er fuchtelte mit den Armen, und als er Christian und Großer-Tiger erblickte, rief er:
     »Wir haben das Unüberwindliche überwunden. Der Abgrund brüllte Hu! Hu! und die Steine haben getrommelt, aber wir hielten die
     Kinnladen geschlossen. Jetzt sind wir oben, bitte sehr! Nichts mehr kann die Räder hemmen.«
    »Ich gratuliere«, sagte Christian höflich.
    »Sie sind ein glücklicher Mensch«, sagte Großer-Tiger.
    Lo-Tjang stand dabei, als warte er auf ein Wort des Wirts.
    Doch der Wirt zuckte die Achseln, und: »Diesmal gibt es kein Lamm«, war alles, was er sagte.
    Da ging Lo-Tjang zum Tempel, um seine Felljacke zu holen.
    »Ich hoffe, er hat den jungen Herrn keine Schwierigkeiten gemacht«, erkundigte sich der Wirt.
    »Von Schwierigkeiten kann keine Rede sein«, sagte Großer-Tiger.
    »Wir haben uns angeregt unterhalten«, behauptete Christian.
    »Da muss ich beipflichten«, erklärte der Wirt; »das Beste auf der Welt ist eine gute Unterhaltung. – Nicht wahr?«, wandte
     er sich an Glück, der mit dem Lastwagen unterhalb des Tempelchens hielt und ausgestiegen war, »es ist nichts krummgegangen,
     und es ist auch nichts schiefgegangen.«
    »Mach, dass du

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