Großer-Tiger und Christian
mit unserm Wagen sehr rasch einholen.«
»Daran dachte ich nicht«, sagte Grünmantel. »Es ist gut. Hagelkorn, du kannst gehen.«
»Ich könnte gehen, aber die Pflicht gebietet mir, Eurer Erhabenheit noch zwei Worte über die näheren Umstände zu sagen.«
Rede keinen Unsinn, ich weiß genug.«
»Ei ja«, jammerte Hagelkorn, »man verliert den Bock mit Leichtigkeit, und es ist besser, einzuhalten, wenn des Großen Macht
zutage tritt. Dogolon reist nämlich nicht allein.«
»Wiederhole nicht«, fuhr ihm Grünmantel dazwischen, »was duschon gesagt hast. Wir wissen, dass Dogolon seine Frau bei sich hat. Dazu hat er einen Lausejungen, der Bator heißt. Da reist
er freilich nicht allein.«
»Ihr missversteht mich. Euch zuliebe habe ich die ganze Nacht durchwacht. Dabei habe ich alles herausgekriegt, was ihr wissen
müsst.«
»Sprich schon«, sagte Glück, »aber sprich nicht mehr als zwei Worte.«
»Ich habe«, begann Hagelkorn, »Dogolon mit der Laterne ins Gesicht geleuchtet, und ich habe gesagt: ›Willst du uns verlassen?‹
›Ja‹, antwortete er, ›es ist wegen der guten Gelegenheit.‹ ›Du willst wohl‹, sagte ich, ›mit dem Belin-Prinz und mit dem Gegen
zusammen reisen?‹ ›Ja‹, sagte das schlechte Stück Mensch, ›das will ich tun; ich reise unter ihrem Schutz.‹ Dann sind sie
alle im Sternenlicht abgezogen, und der Belin-Prinz ritt neben Dogolon wie neben einem Freund; aber Bator habe ich nicht gesehen,
und obendrein hat sich mein Knecht ein Loch in den Kopf gefallen. Doch die Exzellenzen wünschen ja nicht, dass ich mehr als
zwei Worte sage.«
Hagelkorn schwieg, und Grünmantel sagte auch nichts. Man hörte ihn aber schnaufen, und Christian, dem wieder Sand ins Genick
rieselte, merkte, dass Grünmantel sich auf den Kang gesetzt hatte.
»Ich verstehe nicht«, sagte Glück, »was ihr für ein Aufhebens davon macht, ob dieser Dogolon allein oder in Gesellschaft reist.«
»Freilich, freilich, das verstehst du nicht«, knurrte Grünmantel; »aber es gibt keine Hilfe. Meine Geschäfte könnten Schaden
leiden.«
»Schon wieder mal«, höhnte Glück; »ich verstehe, dass man mit einem lebenden Gott nicht anbinden kann; aber ich verstehe auch,
dass ich kein Geld kriege und dass ich Hunger habe. Marsch, Hagelkorn, richte ein Frühstück für vier ausgewachsene Männer.«
»Zu Diensten, Herr Glück. Ich eile, ich laufe. Der Knecht wird frisches Wasser für den Tee holen. Das Feuer im Herd brennt,
und die Hirse ist …«
»Hirse?«, schrie Glück. »Du wagst es, uns Hirse vorzusetzen? Schaff Reis, sage ich dir, oder …«
Mehr hörten Christian und Großer-Tiger nicht, denn Bator machte Zeichen, dass es eilig sei, aus dem Loch zu verschwinden.
Er kroch als erster ins Freie und vergaß nicht, den Pelzmantel als schalldämpfende Unterlage auszubreiten. Einer nach dem
andern kam leise aus der Dunkelheit, schüttelte sie ab, richtete sich auf und streckte die Glieder. Da war der Morgen angebrochen.
Im Osten stand der klarste Tag über dem verschneiten Hügel von Weißer-Stein; ein rosenroter Hauch umwehte ihn und machte warm,
was eigentlich kalt war. Es war wie an einem hohen Feiertag.
»Wenn gesegnetes Kamel nur nicht schreien etwa«, sagte Bator besorgt, als sie an der Ecke angelangt waren und vorsichtig spähten,
ob die Luft rein sei.
»Er kommt!«, sagte Christian, »ich höre ihn!«
»Er das Tor aufmachen großmächtig«, sagte Bator.
»Wenn er es nur nicht wieder schließt!«, flüsterte Großer-Tiger. Christian, der mit einem Auge um die Ecke schielte, zog schnell
den Kopf zurück. »Er trägt zwei Wasserkübel an einer Tragstange«, meldete er, »und er geht behänd wie ein Wiesel.«
»Also wieder gesund sein viel genug«, bemerkte Bator trocken.
»Er wird ein Geschrei machen, wenn er uns sieht«, gab Großer-Tiger zu bedenken.
»Dazu müsste er sich umwenden«, sagte Christian; »das ist unwahrscheinlich.«
»Doch«, widersprach Bator, »das sehr wahrscheinlich sein. Wenn Mensch im Rücken Blicke spüren, dann sich drehen flink wie
Kreisel etwa. Wir besser das Gesicht in Schnee legen, sehr kalten, und nicht denken an Knecht widerwärtigen.«
»Bolna«, sagte Christian, und alle drei nahmen den Kopf in den Arm und legten sich in den Schnee. Christian zählte in Gedanken
bis zweihundert, denn so viele Schritte, dachte er, müssten es sein, damit er den Knecht oder der Knecht ihn nicht mehr sehen
könnte. Am Ende sind zweihundert zu
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