Großer-Tiger und Christian
wenig, überlegte Christian, es ist besser, ich gebe noch einige dazu. Bei zweihundertzweiundvierzig
hielt er es nicht mehr aus. Er hob den Kopfganz, ganz langsam und blinzelte über den Arm in die Richtung des Hügels Weißer-Stein. Da sah er den Knecht eilig durch den
Schnee stapfen. Die Tragstange mit den Wasserkübeln wippte, und obgleich die Entfernung gute zweihundert Meter betrug, glaubte
Christian, der Knecht schiele nach der Stelle, wo die Kleine Umwälzung geschehen war. Doch ging er stetig weiter, wurde kleiner
und verschwand hinter dem Hügel Weißer-Stein, wo es den Brunnen gab, den Großvater Nicht-gibt-es-nicht mit Weidengeflecht
ausgekleidet hatte.
»Auf!«, rief Christian. »Auf!«, rief Bator. »Er ist weg!«, sagte Großer-Tiger.
Da merkten sie, dass jeder von ihnen ein wenig geblinzelt hatte, und sie schauten sich verlegen an und lachten.
»Männer!«, sprach Bator, »wir schmerzlichen Abschied nehmen eilig; ich fortreiten mit Kamel zu Vater Dogolon, ihr sehr eins,
zwei, drei durch das Tor, ohne dass Knecht widerwärtiger bemerken euch.«
»Auf Wiedersehen!«, sagte Christian und verneigte sich.
»Ich wünsche Wohlergehen«, sagte Großer-Tiger. Mehr sagte er nicht, denn er sah, wie leid es Christian war, den neuen Freund
zu verlieren.
»Euer Weg eben Friede!«, rief Bator. Als er zwei Schritte gegangen war, wandte er sich zurück. »Ihr mein Herz fröhlich machen,
wenn schreiben sehr langen Brief, etwa von Ring, der seinen Herrn fand, und von Grünmantel, den müssen totschlagen du und
du notwendig bald, und vom Wagen Einauge, und das alles schreiben genau an Bator, Torgot-Stamm Edsin-Gol bei Großvater Naidang
etwa.«
»Bolna!«, rief Christian, und dann nahm er Großer-Tiger an der Hand, und beide rannten zum Tor der Herberge »Fröhliches Gedeihen«,
das zum Glück nur angelehnt war. Sie schlüpften hinein, und als sie Hagelkorn in der Küche rumoren hörten, kletterten sie
unbemerkt auf den Wagen, zogen die Filzschuhe aus und krochen in den Schlafsack.
»Diesmal ist es gut gegangen«, sagte Christian.
»Dem Himmel sei Dank!«, sagte Großer-Tiger. Er richtete sich noch einmal auf, und da sah er über der Hofmauer den Kopfeines Reiters, der eine Fellmütze trug. Der Kopf tauchte mehrmals auf und verschwand ebenso oft wieder.
»Euer Weg eben Friede!«, rief Bator.
Dann war es still, und die ersten Sonnenstrahlen schossen in breiten Garben über das schweigende Land.
»Großer-Tiger«, sagte Christian feierlich, »ich muss dich etwas fragen.«
»Kwi-Schan, ich höre dich.«
»Großer-Tiger, hast du Angst?«
»Ich habe Angst, Kwi-Schan, aber das geht vorüber. Vorwärts und rückwärts ist Abgrund. Wir wissen es, nur darf es uns niemand
anmerken.«
»Hast du viel oder wenig Angst?«, erkundigte sich Christian.
»Nicht sehr viel und nicht sehr wenig, gerade nur so«, sagte Großer-Tiger; »wir müssen tapfer sein wie die Alten vom Berge,
da ist keine Hilfe.«
»Es ist schwer, tapfer zu sein«, sagte Christian.
»Nicht, wenn man es muss«, behauptete Großer-Tiger, »du wirst schon sehen; wir sind ja zu zweit.«
Neunzehntes Kapitel, von dem Geheimnis der Steinchen
»Steht auf, ihr Galgenstricke!«, rief Glück, der auf den Wagen gestiegen kam, »das Frühstück ist fertig!«
»Oh, der befehlende Herr Glück«, sagte Großer-Tiger und rieb sich die Augen.
»Uah«, gähnte Christian.
»Ihr braucht mir nichts vormachen«, bemerkte Glück, »man erfährt manches, während man schläft. Zum Beispiel gibt es Jungen,
die nachts auch schlafen sollten, aber sie treiben Unfug. Hagelkorn hat einen Bauch voll Zorn deswegen. Er beklagt sich, sein
Gesicht wäre zerstampft, ihr hättet ihm die Rippen eingetreten und dazu den Knecht in den Schnee geworfen. Als er euch bestrafen
wollte, wart ihr verschwunden.«
»Wir können nicht verschwinden wie Rauch«, gab Christian zu bedenken.
»Wir sind nicht unsichtbar wie der neunschwänzige Fuchs«, sagte Großer-Tiger zweideutig.
»Wo wart ihr denn?«, fragte Glück. »Hagelkorn hat euch überall gesucht.«
»Hagelkorn«, sagte Großer-Tiger, »hat keine Augen im Kopf. Wir sind bald nach ihm ganz aufrecht durch das Tor gegangen, er
hat nur nicht aufgepasst.«
»Nehmt euch vor ihm in Acht!«, warnte Glück, »er will euch verdreschen.«
»Wir bitten um den Schutz des befehlenden Herrn«, bat Großer-Tiger.
»Wir sind sehr unschuldig«, fügte Christian hinzu.
»Manche Menschen«, behauptete Großer-Tiger
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