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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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aber kein Wasser, und schuld ist die Karte, die
     nicht taugt. Oder wenn auf der Karte steht: Zeltlager eines Mongolenfürsten, dann ist er umgezogen, bis du hinkommst, und
     du schaust in die Gegend und wunderst dich.«
    »Aber die Berge«, wandte Christian ein, »verändern sich nicht.«
    »Die Berge stürzen ein, und die Hügel werden mit Leichtigkeit versetzt. Das machen diese mongolischen Zauberer täglich beim
     Morgenessen. Nimm dich nur in Acht!«
    »Grünmantel«, warf Großer-Tiger unerschrocken ein, »hat auch gesagt, wir müssten uns in Acht nehmen, sonst fielen wir vom
     Wagen.«
    »Grünmantel ist ein Esel«, sagte Glück betreten; »solange ich fahre, gibt es keine Bedenken. Ich fahre vorsichtig, und niemand
     fällt da vom Wagen.«
    Er ging schnell zum Führerhaus, drückte auf die Hupe, und die Hupe machte: Tüt, tüt, tüt, tüt! Sogleich kam Grünmantel gelaufen,
     und Hagelkorn verneigte sich, weil Glück ihm Geld für die Übernachtung gab.
    »So eine Verschwendung!«, knurrte Grünmantel, und er machte wieder sein altes Gesicht mit den engen Augenbrauen und mit dem
     herabhängenden schwarzen Bart.
    Aber Glück ließ sich nicht einschüchtern. »Knecht!«, rief er laut, »komm einmal her! Da hast du was für deine wehe Stirne.«
    »Diese Medizin ist gut«, sagte der Knecht, »ich wünsche Wohlergehen zu Wasser und zu Lande.«
    Er lief zum Tor, öffnete die Flügel weit, und dann fuhr Glück mit Hupengeplärr in die strahlende Winterlandschaft hinaus.
    Christian und Großer-Tiger hatten es sich bequem gemacht. Sie hatten die Schuhe ausgezogen, die Beine in den Schlafsack gesteckt,
     und so saßen sie in den Pelzmänteln, an die eisernen Fässer gelehnt.
    Als die Herberge »Fröhliches Gedeihen« am Horizont verschwand, zog Christian das Südliche-Blatt aus der Ledertasche und nahm
     das Vergrößerungsglas in die Hand.
    »Amün-Ossu hat er gesagt, war es nicht so?«
    »Es war so.«
    »Das ist aber weit weg«, sagte Christian, »da müssen wir lange fahren, und da, da ist noch ein Amün-Ossu, und das zweite ist
     noch weiter weg als das erste.«
    »Vielleicht«, unterbrach ihn Großer-Tiger, »hat Glück recht, und man muss die Karte wegwerfen, weil sie nicht taugt.«
    »Ich behalte sie«, entgegnete Christian.
    Großer-Tiger langte umständlich in die Hosentasche und brachte das Ding heraus, das Grünmantel verloren hatte. »Was ist das?«,
     fragte er so nebenbei.
    »Eine Patrone!«, rief Christian; »es ist eine richtiggehende Patrone! Wo hast du sie her?«
    »Sie lag unter dem Tisch«, berichtete Großer-Tiger, »und Grünmantel hat sie verloren. Er muss noch viele davon haben, denn
     er hat damit gespielt.«
    Christian wusste nicht gleich, um was für ein Spiel es sich handle; und Großer-Tiger freute sich, dass er eine wichtige Entdeckung
     gemacht hatte. Er erzählte, wie alles zugegangen war; dann nahm Christian die Patrone in die Hand und sagte, dass sie zu einer
     Pistole gehöre, weil sie so klein sei.
    »Bist du ganz sicher?«, fragte Großer-Tiger.
    »So etwas weiß ich genau. Ich habe schon einmal Patronen gesehen. Sie lagen in der Schublade meines Vaters, und er hat mich
     dabei erwischt.«
    »Bei was?«, fragte Großer-Tiger, der alles wissen wollte.
    »Beim Abzählen«, gab Christian zu. »Ich wollte wissen, wie viele es wären, und ob man merken würde, wenn später eine fehlte.
     Es waren vierundzwanzig. Nachher waren die Patronen aber nicht mehr da, und ich weiß nicht, wohin mein Vater sie getan hat.
     Das sei nichts für Jungen, sagte er.«
    Großer-Tiger meinte, das sei so eine Redensart der Väter, und die großen Leute würden wunders wie wichtigtun, wenn sie Patronen
     hätten, nur die Soldaten nicht. Die würden Patronen herzeigen und leichtsinnig damit umgehen.
    »Ich hab’s!«, rief er plötzlich: »oh, Kwi-Schan, ich habe ein Geheimnis entdeckt!«
    »Sag es mir«, bat Christian, »damit ich es auch weiß.«
    »Du musst es sogar wissen«, flüsterte Großer-Tiger ganz leise, obgleich die Fässer klirrten und der Motor Radau machte. »Als
     wir mit Bator unter dem Kang saßen und warteten, ob etwas passiere, und als wir froren, und als es so schrecklich still war,
     hast du da nichts gehört? – ich meine, so ein klein bisschen was?«
    »Ja«, rief Christian, »so ein Fingergekrabbel oder so wie Mäuse.«
    »Das war Grünmantel«, versicherte Großer-Tiger, »und er hat Glück die Patronen heimlich aus der Pistolentasche gestohlen.
     Das tat so wie Mäuse, und dann

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