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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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der Mongole nickte vergnügt. Plötzlich fasste er Christian unter die
     Arme, hob ihn hoch und setzte ihn auf sein Kamel. Dann deutete er mit dem Reitstock in die Richtung, aus der er gekommen war,
     und dazu sagte er mehrere Male: »Wang! Sunit-Wang!«
    »Ich auch«, bat Großer-Tiger, »bitte ich auch.«
    Der Mongole setzte ihn neben Christian in den Sattel, und von da oben sahen sie über dem Hügelrand die gelbglasierten Ziegeldächer
     einiger Häuser.
    »Wang!«, wiederholte der Mongole, und dann zeigte er wieder auf das Brunnenloch und sagte: »Wang’ne Hotog.«
    Christian ging ein Licht auf. »Wang«, sagte er, »heißt der Mann, der dort wohnt.«
    »Wang heißt König«, erklärte der Mongole stolz.
    »Und das ist der Brunnen des Königs«, sagte Großer-Tiger, dem auch ein Licht aufging.
    Der Mongole nickte, und Christian und Großer-Tiger sprangen so leicht vom Kamel, als ob sie das schon immer getan hätten.
     Dann unterhielten sie sich mit dem Mongolen in freundschaftlicherWeise über alles, was es gab, und wenn Christian: »Ene ju beino?« fragte, dann sagte der Mongole, dass der Reitstock »Daschior«
     heiße, und dass ein Kamel ein »Temmen« sei.
    Während sie sprachen, füllten sie die Wasserfässer, und als sie damit fertig waren, zeigte ihnen der Mongole, dass es am nächsten
     Brunnen viel Kamelmist gab, weil dort die Viehtränke war. Da sie ihm beim Wasserschöpfen geholfen hatten, half er ihnen beim
     Argalsammeln, und der Korb wurde schnell voll. »Wo kommt ihr her, und wo geht ihr hin?«, fragte der Mongole. »Wir kommen daher,
     und wir gehen dorthin«, sagte Großer-Tiger, der bei sich beschlossen hatte, vorsichtiger zu sein, und er zeigte mit der Hand
     nach Osten und dann nach Westen.
    Der Mongole zuckte zusammen, und Großer-Tiger dachte schon, er habe ihn mit seiner Antwort beleidigt; aber es war nicht so,
     sondern anders. – »Du sprichst wie einer, der schon im Grasland war«, sagte der Mongole bedächtig, und dann senkte er den
     Blick. »Ich muss dich um etwas bitten. Zeige mir den Ring an deiner rechten Hand.«
    Großer-Tiger erschrak, und seine Hand zitterte, als er sie in die des Mongolen legte.
    »Es ist so«, murmelte der Mann. Eine Blutwelle schoss ihm in das kupferfarbene Gesicht. Er schob den Hut mit dem Fuchsfell
     aus der Stirn, und da sahen Großer-Tiger und Christian kurz unter dem Haaransatz die breite, kaum verheilte Narbe eines Säbelhiebes.
     Sie lief wie ein feuerrotes Band von einer Schläfe zur andern, und sie sah so schrecklich aus, dass Christian und Großer-Tiger
     überlegten, ob sie sich jetzt fürchten müssten.
    »Woher hast du den Ring?«, fragte der Mongole erregt, und die Narbe auf der Stirn wechselte von Rot in Blau.
    »Er gehört nicht mir«, erwiderte Großer-Tiger ausweichend.
    Das war keine Antwort für den Mongolen. »Ich weiß es«, rief er, »aber ich kann dich kein andermal danach fragen. Darum sage
     mir gleich jetzt, wie der Ring an deine Hand kam.«
    »Ein heiliger Mann gab ihn mir und sagte: ›Dieser Ring sucht seinen Herrn.‹ Deshalb trage ich ihn am Daumen.«
    »Wir wollen uns setzen«, schlug der Mongole vor. Er langte eine Pfeife mit dünnem Rohr und mit nephritnem Mundstück ausdem Stiefelschaft, stopfte den winzigen Silberkopf mit Tabak voll und begann zu rauchen.
    »Man erwartet uns«, sagte Christian.
    »Wir sind pressant«, entschuldigte Großer-Tiger.
    »Es gibt nichts, das eilig wäre«, widersprach der Mongole gelassen. »Du brauchst keine Angst zu haben, ich will nicht wissen,
     wer dein heiliger Mann ist.«
    Da setzten sich Christian und Großer-Tiger, wie sie es gewohnt waren, in der Kniehocke neben den Mongolen. Sie warteten darauf,
     was er sagen würde, aber er paffte blaue stinkende Rauchwolken in die Luft.
    »Ich heiße Sarrangril«, begann er endlich.
    »Ene ju beino?«, fragte Großer-Tiger sachlich.
    Trotz des Ernstes, mit dem er sprach, musste der Mongole lachen »›Sarr‹«, sagte er, »ist der Mond, und ›gril‹ bedeutet ›Schein‹.
     Ich heiße Mondschein. Ich bin einer von den zwanzig Männern, die den Ring an deinem Daumen kennen.«
    »Wir haben von den zwanzig Männern gehört«, sagte Großer-Tiger.
    »Der heilige Mann hat gesagt, sie hätten einen Schwur geschworen«, fügte Christian beklommen hinzu. Mondscheins Gesicht verfinsterte
     sich. »Wisst ihr noch mehr?«, fragte er; »wisst ihr, wie der heißt, dem der Ring gehört?«
    »Wir wissen es nicht«, sagten Großer-Tiger und Christian

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