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Großmutters Schuhe

Großmutters Schuhe

Titel: Großmutters Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Welsh
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hinaus, um den Schnösel zu treffen, der es schafft, jeden von oben herab anzusehen, der größer und älter ist als er, und wie nasal er redet, nicht auszuhalten. Ich glaube ja nicht, dass sich das Jüngele etwas aus Frauen macht, auf keinen Fall weiß er sie zu schätzen, dieser Narziss. Schwer zu glauben, dass ein Enkel von mir so sein kann. Wenn er etwas Schönes sehen will, stellt er sich vor einen bodenlangen Spiegel, würde ich wetten. Gerade die richtige Größe für meine beiden Hände, diese Pobacken. Wie sie sich in den Hüften wiegt bei jedem Schritt, die legt es darauf an, Männer kirre zu machen. Der würde ich gern zeigen, was ein richtiger Mann ist, nicht so ein Grünschnabel, der keine Ahnung hat. Diese Kniekehlen. Und der Flaum in ihrem Nacken. Golden auf der zart braunen Haut. Sieht nicht aus wie Bräune aus dem Sonnenstudio. Und eine Haltung hat die Kleine, wie sie ihren Kopf trägt auf dem langen Hals. Eigentlich zu lang, dieser Hals. Stefaniestarrt herüber, Nasenflügel vibrieren, Doppelkinn hochgereckt. Man wird doch noch schauen dürfen. Du machst dich lächerlich, Stefanie. Seit wann ist eine Henne eifersüchtig auf einen Paradiesvogel? Verzeih, aber so wie alles andere braucht auch die Eifersucht eine gewisse Bodenhaftung. Du bist gar nicht eifersüchtig? Du findest mich lächerlich? Willst etwa darauf hinweisen, wie lange es her ist, seit ich zum letzten Mal … Also wirklich, nichts liegt mir ferner, als dich zu beleidigen, aber wann hast du mich zum letzten Mal angeschaut, ohne die Mundwinkel herunterzuziehen? Ich hätte ja nichts gesagt, wenn du nicht angefangen hättest. Du hast gar nicht angefangen? Wer rümpft die Nase? Wer starrt auf meinen Bauch? Wer tuschelt mit seiner Nachbarin, mit dieser unsäglichen Louise, dieser Person, die jedem Mann auf den Hosenschlitz schaut, so dass einem alles einschrumpft? Kaum siehst du mich, bekommst du doch diesen angewiderten Blick, als würdest du gleich Lauge und Eimer und Bodenfetzen holen und saubermachen. Wisch und weg, wie in der Werbung. Dass die männerfeindlich ist, darüber regt sich kein Mensch auf. Aber kaum betrachten sie etwas als frauenfeindlich, ziehen sie los mit frisch gewetzten Messern. Nein, Stefanie, von dir lass ich mir kein schlechtes Gewissen anzüchten, nur weil ich ein bisschen Spaß daran habe, dass es knackige Ärsche gibt auf der Welt. Ja, genauso müsste man es dir sagen, aber du redest ja nicht, du schaust nur. Gezückte Messerblicke. Messerwerferblicke. Wer so schaut, braucht keine Messer. So schauen und sich dann mokieren. Du schreist schon wieder, lautlos natürlich, ich wäre aggressiv. Immer nur ich. Zuckerguss macht die Aggression schärfer, da kann man sich überhaupt nicht mehr wehren, merkt sie oft erst, wenn die Wunde offen liegt. Stiche mit Zuckerguss eitern nach innen. Das tut gar nicht weh, halt nur still,hat schon meine Mutter gesagt, bevor sie mein aufgeschundenes Knie mit Jodtinktur betupft hat. Hat das vielleicht gebrannt. Nie wieder hab ich ihr geglaubt. Was rege ich mich überhaupt auf? Dieses Verächtlichmachen, das ist es, was alles absterben lässt, und dann rümpfen sie ihre feinen Nasen. Jede Kleinigkeit wird archiviert, wird einem nachgetragen, nichts wird gelöscht. Wer nachträgt, darf nicht darüber klagen, dass er zu schleppen hat. Oder sie, meistens.
    Was für ein Glück, dass einem gerade die, die sich einbilden, einen durch und durch zu kennen, nicht ins Hirn blicken können. Du kommst natürlich, hat sie gesagt. Ich wäre sowieso gekommen, aber da war ich drauf und dran, nein zu sagen. Warum sie mich überhaupt geheiratet hat, das werde ich nie ergründen. Ich weiß ja nicht einmal, warum ich sie geheiratet habe. Ich meine, verliebt zu sein, verliebt gewesen zu sein, das ist doch kein Milderungsgrund. Verliebt ist man bald. Ich habe sie bewundert, weiß der Himmel wofür, auf jeden Fall konnte ich nicht glauben, dass dieses großartige Geschöpf sich für mich interessiert. Bewunderung ist doch das stärkste Aphrodisiakum für euch Männer, hat Edith einmal gesagt. Für Frauen genauso, habe ich geantwortet, und wusste gar nicht, wie recht ich hatte. Leider lässt die Wirkung bald nach. Wenn du auch nur einen Funken von Interesse an mir gezeigt hättest, Stefanie, an mir als Mann, an mir als Mensch, dann wäre vieles anders gekommen. Aber du lagst ja da mit einem Gesicht, als würdest du den Speiseplan für die nächste Woche überlegen. Nicht einmal das, Stefanie, der Speiseplan hat

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