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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
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dampft ab. Ich beobachte, wie er mit wedelnden Armen mit dem Barmann redet. Er sieht aus wie eins dieser Strichmännchen aus dem Daumenkino. Ich werde ihm nicht anbieten, für den Drink zu zahlen; ich bin mir sicher, er würde mich lassen.
    „Lass uns rausgehen“, schlägt er vor. Er hat eine Karaffe der Hausmarke dabei. „Ich nehme an, die Stühle draußen sind bequemer.“
    Das ist dann ja doch wieder süß von ihm. Vielleicht bin ich etwas harsch mit ihm umgegangen.
    In dem Patio stehen etwa zehn Tische, auf denen Kerzen brennen. Wir sind die Einzigen und suchen uns einen Platz etwas weiter hinten unter einem schmalen Blechdach. Ich will mich gerade setzen, als er sagt: „Warte – der Stuhl könnte nass sein.“
    Das ist auch süß. Ich bin ganz sicher zu harsch mit ihm gewesen. Vielleicht hat er einfach noch nicht so viel Erfahrung im Daten. Vielleicht weiß er schlicht nicht, dass man zu einem ersten Treffen keine Jeans anziehen sollte, französisches Café hin oder her, und in einem Laden wie dem ‚Rose‘ war es erst recht nicht angesagt. Vielleicht ahnte er auch nicht, dass er mich zu Hause hätte abholen sollen. Oder sind meine Ansprüche selbst für den aufgeklärten Mann von heute zu hoch? Gibt es den überhaupt, den aufgeklärten Mann von heute?
    Mein Stuhl ist in der Tat nass. Er wischt ihn mit einer Serviette trocken.
    „Macht es dir etwas aus, wenn ich rauche?“ fragt er und holt eine Packung Marlboro hervor.
    „Nein“, sage ich. Mich hat das Rauchen noch nie besonders fasziniert. Ich habe es als Teenager ein paar Mal versucht, musste aber fürchterlich husten. Zu blöd, ehrlich. Raucher haben nie das Problem, nicht zu wissen, wohin mit ihren Händen.
    Er nimmt sich eine Zigarette und zündet sie an der Kerze an. Dann schenkt er uns ein Glas Wein ein. Ich erzähle ihm, dass ich Sahneeis liebe, und er erwidert, dass er Laktose nicht verträgt. Ich erzähle ihm, dass meine Mutter Laktose ebenfalls nicht verträgt und dass sie weder Milch noch Käse zu sich nehmen darf. Ich habe früher immer ihre Sojamilch in mein Müsli getan; für mich schmeckte das, als hätte jemand einen Löffel Zucker in die normale Milch geschüttet. Er erwidert, dass er normale Milch trinkt, aber einen Haufen Pillen schluckt. Die Pillen kosten fünfzehn Dollar die Packung; fast sein ganzes Geld geht für die verflixten kleinen Milchmolekülespalter drauf. Dann reden wir über Käse und sind uns beide einig, dass man von Cheddar erst sprechen kann, wenn er wirklich ausgereift ist. Schließlich sagt er, dass der Kaffee nach dem Essen immer mit Bailey’s getrunken werden sollte, und ich erkläre, warum Fotos in Schwarz-Weiß besser sind.
    Der Patio ist inzwischen voll geworden, nicht richtig voll vielleicht, aber drei weitere Tische sind jetzt besetzt. Siehst du wohl, Sam. Eine Menge Paare gehen nach halb zehn aus. Wir reden lauter, nicht nur, weil wir uns anstrengen müssen, den neuen Lärmpegel zu übertönen, sondern weil der Wein schon zu drei Vierteln leer ist. Wir reden nun über Beziehungen und unsere Ex. Ich frage ihn nach seinen Erfahrungen, und er antwortet, dass er sich erst vor kurzem getrennt habe. Ich sage das Gleiche, und so kommen wir auf Übergänge zu sprechen. Plötzlich plattern Regentropfen auf das Blechdach, und die Paare um uns greifen ihre Gläser und verschwinden nach drinnen.
    „Wo wohnst du?“ will ich wissen.
    „Gleich um die Ecke.“ Ist das eine Aussage oder eine Einladung? „In den Platintürmen.“
    „Wow.“
    „Unsere Wohnung ist mietgebunden.“
    „Unsere? Hast du einen Mitbewohner?“
    „Oh. Ja.“
    Unsere Köpfe werden wie magisch voneinander angezogen, und unsere Blicke können sich nicht voneinander trennen. Kosmische Schwingungen umklammern unsere Hände. Ich sage ihm, dass mir seine Brille gefällt, dass ich nie eine finde, die mir steht, und dass ich deswegen Kontaktlinsen trage. Ich probiere seine, um zu sehen, ob sie mir passt. Sie riecht nach After Shave und feuchtem Rauch.
    „Wie sehe ich aus?“ frage ich, und er sagt „großartig“.
    Und ich erwidere: „Männer flirten nicht mit Frauen, die eine Brille tragen.“
    Und er sagt: „Wer sagt das?“
    Ich gebe ihm seine Brille zurück, unsere Hände berühren sich, und, o Gott, er lässt nicht wieder los. Wenn ich eine Heldin aus den Cupid-Romanen wäre, würde ich jetzt denken, dass ein Schauer meinen Rücken hinabläuft, die Sache ist nur, dass er das wirklich tut, und ich fühle mich ganz benommen im Kopf. Ist das

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