Großstadt-Dschungel
Sofa. Nicht die Brezelstellung der Fashion Magazin Spaßregeln, sondern die der netten Mitbewohnerin, die ihrer Freundin die ganze Nacht zur Seite gestanden hat. Über Myriaden von Zeitschriften und Stapeln von Fotos, die sorgfältig auf die Anrichte gelegt sind, die die Küche vom Wohnzimmer trennt, starrt Sam gegen die Decke.
„Guten Morgen“, sage ich heiser.
„Scheiß Morgen“, sagt sie, ohne mit der Wimper zu zucken.
Ach ja. Raum. Sam hat Marc vor die Alternative gestellt, und dann hat seine Antwort ihr nicht gefallen.
Als ich mich gestern ins Wohnzimmer gequält habe, war sie vollkommen hysterisch. Schluchzend war es ihr nicht möglich, mit den Lippen die richtigen Worte zu formen. „Er … hat … ge … sa … sagt … er … w … weiß nicht … ob ich d … diejenige bin.“
Sie hat mit dem Schluchzen nicht aufgehört, bis ich die halbe Packung Cracker leer hatte. Dann hat sie angefangen zu schreien. „Dieser miese Bastard sagt, ich bin nicht die einzig Wahre! Er glaubt, er findet eine Bessere! Besser als ich? Lass ihn mal versuchen, eine Bessere zu finden, die sich mehr zum Affen macht als ich. Lass ihn mal jemanden finden, der bereit ist, sich auf seinen Scheiß einzulassen. Scheiß! Scheiß! Scheiß! Ist das normal, dass er so unreif ist? Ist das normal?“
Nach den Crackern esse ich das Müsli auf, und dann haben wir einfach am Küchentisch gesessen. Wir haben der Sonne dabei zugesehen, wie sie die Enden des Himmels aufgegessen und ihn blau gefärbt hat. Ich fühlte mich wie ein Kaugummi, das man zu lange im Mund gehabt hat. Dann muss ich wohl auf die Couch gekrochen und eingeschlafen sein.
„Bist du schon lange wach?“
„Seit gestern Morgen.“
Ich versuche aufzustehen. O mein Gott. Ich kann mich nicht rühren. Ich habe Schmerzen in Körperteilen, die ich bis dahin gar nicht wahrgenommen habe. Liegt das an der Couch? Am zu langen wach sein? „Auauaua“, jammere ich. Was ist bloß los mit mir? Am Ende habe ich eine schlimme Muskelverspannung. O je. Ich habe davon gehört: Eben bist du noch okay, und im nächsten Moment ziehen sich deine Muskeln zusammen, und du hast Rheuma. Mir bleiben nur noch wenige Minuten. Ich verschwende meine letzten Atemzüge in meinem Wohnzimmer anstatt im Café Paris oder mit Jeremy im Bett. „Ich glaube, ich habe Rheuma.“
„Unsinn“, sagt sie schwach. „Es ist das Karate.“
Ach ja. „Nicht Karate. Taekwondo.“
Sie reagiert nicht. Sie ist zu sehr damit beschäftigt, den Küchentisch zu fixieren.
Komischerweise sieht der anders aus als vorher. „Hast du irgendwas mit dem Tisch gemacht?“ frage ich sie.
„Ich habe ihn poliert.“ Schweigen. „Ich habe ihn poliert? Warum um alles in der Welt sollte jemand einen Glastisch polieren? Kein Wunder, dass Marc nicht mit mir leben will.“
Ich weiß nicht genau, wovon sie spricht, aber ich weiß, dass ich unter die Dusche muss. Meine Füße rutschen mir weg, als ich aufstehe. Auaua … das Stehen tut weh. Was ist nur mit dem Boden los? „Hast du was mit dem Boden gemacht?“
„Ich habe ihn gebohnert. Er wirkte stumpf.“
Ehrfürchtig sehe ich mich im Wohnzimmer und in der Küche um. Die Kommoden glänzen. Ich gehe den Flur hinunter. Mein Badezimmer riecht zitrusfrisch. „Du hast mein Bad geputzt?“
„Mach dir keine Sorgen. Ich hatte Handschuhe an.“
„Aber habe ich das gerade diese Woche nicht selbst gemacht?“
„Doch, aber jetzt ist es sauber.“
Das schreit nach weiteren Untersuchungen. Ich schlüpfe in mein Zimmer und finde das Bett gemacht, den Boden gewischt vor. Ich öffne meinen Schrank und entdecke, dass meine Oberteile nach Farben sortiert sind. Das undefinierbare Objekt in meinem Wäschekorb ist identifiziert und zusammengelegt worden.
Das ist nicht normal.
Ich gehe mit Sam in der Einkaufsmeile shoppen. Ich weiß nicht, was ich sonst mit ihr machen soll. Sie hat für einen verregneten Tag fünfhundert Dollar zur Seite gelegt. Ich sage ihr, dieser Tag ist verregnet. Zum Glück nicht wirklich verregnet, denn der einzige Parkplatz auf dem ganzen Deck ist so weit vom Eingang zum Kaufhaus Macy’s entfernt, dass wir locker ein Taxi hätten nehmen können. Ein Händchen haltendes Paar geht durch die Schwingtür.
„Ich will nach Hause“, sagt Sam.
„Nein, willst du nicht. Wir gehen jetzt shoppen. Erinnerst du dich nicht mehr an die Trennungsregeln?“
„Aber ich bin nicht der Hochhackige-schwarze-Stiefel-Typ.“
„Red keinen Quatsch! Entdecke deine Seele. Tief in dir
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