Großstadtvampire (German Edition)
sonnendurchflutete Straßenabschnitte ohne Zögern. Die andere hingegen wich diesen Stellen tunlichst aus und fiel dadurch zurück. Immer wieder stieß sie für den Menschen unhörbare Ultraschallschreie aus, um ihre Begleiterin darauf aufmerksam zu machen. Doch die ignorierte diese einfach und flatterte weiter ihrem Ziel entgegen. Ab und an übersah die zweite Fledermaus einen Sonnenabschnitt und flog mitten hinein. Mitten im Flug bemerkte sie dann ihr Missgeschick, erschrak, hörte auf mit den Flügeln zu schlagen und es schien für einen Moment, als würde sie mitten in der Luft verharren. Doch dann stürzte sie plötzlich in die Tiefe und stieß dabei einen entsetzlichen und sogar für das menschliche Ohr hörbaren Schrei aus. Kurz vor dem Boden begann die Fledermaus dann wild zu flattern und konnte so in letzter Sekunde dem sichern Aufschlag entkommen. Verunsichert, aber mit neuem Elan flog sie in den nächstliegenden Schatten und nahm die Verfolgung ihrer Gefährtin wieder auf. Als die beiden schließlich den alten Luftschutzbunker in Schöneberg überquerten, flogen sie rechts in eine kleine Seitenstraße mit schönen, aber etwas ungepflegten Bürgerhäusern aus dem späten 19. Jahrhundert ein. Die erste Fledermaus landete in einer der mächtigen Platanen, die in der Strasse standen und sehr zum Leidwesen der Bewohner mit ihrem dichten Blätterkleid die Sonne von den Wohnungen hielten. Wenig später kam auch die andere Fledermaus an und landete ebenfalls in dem Baum.
Von der Straße aus wirkte der Baum an diesem lauen Sommermorgen friedlich. Doch plötzlich, wie aus heiterem Himmel, zuckten die Äste wild durcheinander und die Blätter rauschten, als ob ein Sturm durch sie fahre würde. Das alles dauerte nur knappe fünf Sekunden und dann verschwand das Phänomen genauso schnell wieder, wie es erschienen war. Kaum stand der Baum wieder still und friedlich in der Straße, fielen Johannes und Igor aus seinem Blätterwerk und landeten sanft auf den Füßen.
"Ich bin mitten durch die Sonne geflogen", Igor stand das Erstaunen ins Gesicht geschrieben, "und ich dachte, jetzt bist du erledigt. Aus, Schluss und vorbei. Staub und so, in einer Sekunde! Aber nichts! Ich meine, ich habe zwar immer gehört, dass das mit der Sonne nur ein Gerücht ist, aber ganz sicher war ich mir nie. Hab mich auch nie getraut, es auszuprobieren. Ich meine, mal so in die Sonne stellen. Und das Beste daran? Ich habe nicht einmal einen Sommerbrand abgekriegt."
"Wir müssen da rüber", unterbrach ihn Johannes. "Da wohnt Caroline."
"Ach ja", Igor fiel wieder ein, weshalb sie als Fledermäuse durch die halbe Stadt geflogen waren. Johannes marschierte voran und suchte auf dem Klingelschild nach Carolines Namen. Das einzige Problem war nur, dass er sich nicht mehr an ihren Nachnamen erinnern konnte. Wie war der nur wieder? Johannes war nur ein Mal bei Caroline in der Wohnung gewesen und zwar zur Einweihungsparty. Das war aber über einem Monat her. Er hatte sich damals den Namen extra gemerkt, um auf die Party zu können. Jetzt war aber der Name wieder weg.. Schon komisch, dass man von Leuten, die man aus dem Nachtleben kannte, immer nur den Vornamen wusste. Streng dich an, dachte er und dabei fiel ihm wieder ein, dass Caroline mit ihrer Mitbewohnerin im zweiten Stock des Vorderhauses wohnte. Da war es: Rothloff und Schubert. Caroline Rothloff. Stimmt, das war ihr Name. Johannes presste den Klingelknopf und überlegte rasch, was er sagen sollte, damit sie ihn rein ließe. Doch anstatt, das aus der Gegensprechanlage eine Frage erklang, summte nur der Türöffner. Johannes drückte die Tür auf und sprintete die Stufen hinauf. Igor folgte ihm.
Die Tür war verschlossen, als sie an der Wohnung ankamen. Johannes drückte die Klingel an der Tür und sie warteten. Sie hörten wie jemand in der Wohnung an die Tür tapste und dann drang das Surren des Türöffners vom Erdgeschoss her durch das Treppenhaus. Begleitet wurde das mit einem pampigen "Reicht schon, dass ihr Müllmänner so früh klingeln müsst! Könnt ihr dann wenigstens die Tür beim ersten Mal aufkriegen, oder was?" einer Frau durch die Gegensprechanlage.
Johannes klopfte gegen die Tür. Ein "Huch" war aus der Wohnung zu hören und dann entriegelte jemand die Wohnungstür und öffnete sie.
Es war Mona, Carolines Mitbewohnerin, die verschlafen in einem viel zu großen Pyjama in der Tür stand. Ihr pechschwarzes gelocktes Haar hing durcheinander und mit ihren scheinwerfergroßen grünen
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