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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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durch Wiesen und Felder auf ein Dorf am Fuß der Hügelkette zu. Hohe Bäume schlossen die kleinen Gehöfte ein, Hecken trennten sie voneinander, die Gärten dienten mehr zum Anpflanzen von Gemüse als zur Zucht von Blumen. Dazwischen lagen kleine, mit Wein bestockte Flächen, rechts gingen die verschiedenen Weingärten ineinander über. Fast wäre ihm Harms durch die Lappen gegangen, als er hinter dem Dorf in eine gewundene, mit Kopfsteinen gepflasterte Straße bog – an ihrem Ende lagen mehrere große Gebäude, anscheinend ein ehemaliges Landgut oder eine LPG.   Das Herrenhaus trug in goldenen Lettern die Aufschrift »Restaurant«. Das Nebengebäude mit der Einfahrt zu einem Hof schien eine Kellerei zu sein, denn auf der Treppe zum Hochparterre standen ausrangierte, mit Blumen bepflanzte Barriques. Lagerhallen mit den üblichen Tanks schlossen sich an.
    Hinter Bäumen und Hecken verborgen lag der Parkplatz des Restaurants, wo Harms seinen Wagen neben einem massigen schwarzen Hummer mit der gelben Aufschrift »Security« abgestellt hatte und von dem er jetzt, wieder die Aktentasche in der Hand, zurückkam. Martin wartete, bis Harms das Restaurant betreten hatte, dann fuhr auch er auf den Parkplatz. Harms’ Mercedes war nicht der einzige Wagen dieser Größenklasse. Die beiden schrottreifen Dacias in der hintersten Ecke gehörten sicher den Angestellten. Und noch während er aus dem Wagen stieg, bog die nächsteLuxuskarosse ein, das typisch neureiche Pärchen stieg aus. Martin beeilte sich, ins Restaurant zu kommen.
    Im Foyer wurde er von einem jungen Mann in schwarzem Anzug begrüßt. »Haben Sie reserviert?«, fragte er auf Englisch, als er begriff, dass er einen Ausländer vor sich hatte. »Für wie viele Personen? Ach – nur Sie allein?« Er schlug ein großes Buch auf und sah unter dem heutigen Datum nach. Dort standen nur drei Namen. Martin beugte sich weit über den Tisch, ein Harms war nicht darunter.
    »Sitzen Sie gern am Feuer?«
    »Nicht so gern«, antwortete Martin, denn der Rauch des Grills ließ ihn die Raucharomen, die sich in einigen Weinen zeigten, nur verfälscht wahrnehmen. Er bekam Tisch IV am Fenster und wurde mit einer höflichen Geste weitergeschickt.
    Der Speiseraum war eine Mischung aus Bauernkneipe und transsilvanischem Palast. An alle war gedacht, an den begüterten Bauern, den Wendegewinnler und die Neureichen, für den Altkommunisten stand eine Stalinbüste in einer Nische, und die Trophäen des Bärentöters dräuten in wutverzerrten Grimassen von der Wand. Das Geweih des Achtzehnenders war zum Kronleuchter umgearbeitet worden, an einer der Kutscherlampen wechselte ein Ober die durchgebrannte Birne. Auf der Anrichte standen sich ein ausgestopfter Fasan und ein Fuchs gegenüber, vom Rauch des offenen Holzkohlegrills imprägniert. Weinregale und mehrere kleine Fässer, sicher für die Brände, komplettierten das Sammelsurium der Einrichtung. Die Lautstärke der amerikanischen Barmusik ließ sich ertragen.
    An der den Fenstern gegenüberliegenden Seite des großen Raumes verbargen schwere rote Vorhänge mehrere Nischen, in einer davon saß Elmar Harms mit drei gut gekleideten Herren, die durchaus nicht der Pizza-Fraktion angehörten und Martin den Eindruck vermittelten, dass sie dem Politbüro der SED näher gestanden hatten. Die Herren stecktendie Köpfe zusammen. Harms war Wortführer, er redete, die anderen lauschten. Einer von ihnen hatte kurz aufgeblickt, als Martin sich setzte. Er konnte der Gruppe den Rücken zuwenden und sie trotzdem beobachten, denn sie spiegelte sich in einer Fensterscheibe. Die Männer bekamen die Vorspeisen, und der Ober stellte eine Flasche neben einer Dekantierkaraffe auf den Tisch.
    Ich habe es gewusst, triumphierte Martin, denn er meinte, den Zodiac erkannt zu haben. Er lächelte zufrieden, die Verfolgung hatte sich gelohnt. Der Zodiac, da war er. Von Weitem meinte er, das Tierkreiszeichen auf dem Etikett wiedererkannt zu haben, und lächelte vor sich hin. Das Unbewusste hatte ihn hierher geführt – oder war es seine Nase gewesen? Man muss auf sich hören, sagte er sich, dann kommt man dahin, wohin man will.
    Der Ober entkorkte die Flasche, roch am Korken, eine Unsitte, wie Martin empfand, doch er tat es selbst, obwohl der Fehler im Wein sich nicht am Korken zeigte. Der Ober goss ein wenig in Harms’ Glas. Anscheinend war er der Experte, er roch daran, dann nippte er und zeigte mit einer großzügigen Geste, dass er zufrieden war und der Ober die

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