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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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Gläser seiner Tischgenossen füllen durfte.
    Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, winkte Martin den Ober herbei und sprach sehr leise mit ihm, wobei jener versuchte, ihm unter Zuhilfenahme von Händen, Füßen und von Lautmalerei die Speisekarte zu übersetzen.
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hatte sicher was mit Schwein zu tun,
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war das, worauf der Ober zeigte. Schräg über ihnen mit gewaltigen Hauern an der Wand hing – ein Wildschwein. Man hätte meinen können, der eklige Geifer tropfe herab. Das Schwein gab es nicht im abendländischen Tierkreis, wohl aber im chinesischen. Es bezog sich auf das Geburtsjahr und nicht auf Geburtsort, -tag und -stunde. Martin selbst war demnach eine Ratte, und die sollten angeblich vorzügliche Spione abgeben, was er bezweifelte, wenn er daran dachte, wieschwer es ihm fiel, mit der anderen Identität aufzutreten, ständig in der Angst, enttarnt zu werden oder sich zu verplappern. Weiterhin sollten Ratte-Menschen großzügig sein und in der Lage, die Kontrolle über sich zu behalten. Dem widersprach die ihnen zugeschriebene Neigung zu Extremen, die zeigte sich bei ihm nur beim Wein. Zur Hochzeit hatten Charlotte und er ein chinesisches Horoskop bekommen – mit den entsprechenden Interpretationen. Charlotte gehörte zu den Kaninchen: Pedantisch, was durchaus zutraf, geschäftstüchtig, was sie nur war, wenn das Geschäft sie interessierte – und für die Politik geeignet, woran sie äußerst ungern erinnert wurde.
    »Mein Herr!« Der Ober vergaß das Lächeln nicht. »Womit wollen Sie beginnen?«
    »Haben Sie Bärenschinken, vielleicht als Parfait?«
    Er nickte. »Und was trinken Sie?«
    Martin schaute zu Elmar Harms, sah seine Begleiter trinken und lächelte. »Ich möchte den gleichen Wein wie die Herren dort drüben. Die trinken einen Rotwein namens Zodiac!«
    Der Ober zögerte mit seiner Antwort. »Einen Wein mit diesem Namen führen wir nicht.«
    »Aber die Herren dort drüben trinken ihn!« Er wies auf Harms’ Separee.
    Der Ober schaute hin. »Da müssen Sie sich irren. Aus welcher Kellerei soll der stammen?«
    Martin musste passen.
    »Ich bringe Ihnen die Weinkarte, dann können Sie sich selbst überzeugen.« Der freundliche Ober war sofort zurück, klappte die in Leder gebundene Karte auf, schlug den Teil mit den Rotweinen nach und breitete ergeben die Hände aus. »Wir haben großartige Weine. Zum Beispiel Serve Ceptura, ein Weingut ganz in der Nähe, das von einem französischen Grafen geleitet wird.«
    Martin winkte ab, mit Guy Tyrel de Poix von Serve war eram nächsten Tag verabredet, da würde er dessen Weine sowieso probieren. »Wen empfehlen Sie noch?«
    »Casa Da Vino, das ist in Ceptura, gehört auch zu Dealu Mare. Die Trauben wachsen gleich nebenan. Wenn Sie Weine mögen, die im Barrique waren, kann ich Ihnen den Purpura Valahica empfehlen, 100   Prozent Fetească Neagră. Hat auch eine gute Flaschenlagerung hinter sich, er müsste reif sein.«
    »Ich will aber den Wein, den Ihr Kollege den Herren dort drüben gebracht hat!«, insistierte Martin. »Holen Sie bitte Ihren Kollegen.«
    Von Martins vermeintlicher Ignoranz beleidigt zog der Ober widerwillig ab, um kurz darauf mit dem Kollegen zurückzukommen, und Martin wiederholte seine Bitte, dieses Mal etwas energischer. Es dauerte, bis er sich auf Englisch verständlich gemacht hatte. Der jüngere Ober übersetzte, dann fuhr er fort: »Wenn er nicht auf der Karte steht, haben die Gentlemen ihn selbst mitgebracht, den führen wir nicht. Jeden Wein auf der Karte können Sie haben, Sie können auch mehrere bekommen, glasweise. Die ganze Flasche müssen Sie bezahlen, Sie dürfen sie dann auch mitnehmen.«
    Wütend stand Martin auf und ging zu Harms’ Tisch. »Guten Abend, Herr Harms. Wie geht es Ihnen? Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    Ohne auf die Zustimmung zu warten, ließ Martin sich nieder. Die Männer sahen erstaunt zu ihm auf, Harms erklärte etwas auf Rumänisch, dann wandte er sich an ihn, allerdings auf Englisch. »Was wollen Sie von uns?«
    »Was soll das, Herr Harms! Wir kennen uns doch – aus Constanţa. Wir sollten uns einmal dringend unterhalten . . .« Martin hatte deutsch gesprochen, er griff blitzschnell nach der Flasche, die auf dem Tisch stand und hielt Harms das Etikett vors Gesicht. »Den habe ich von Ihnen bekommen, an jenem Abend auf der Hotelterrasse, dann haben Sie dem Ober den Wein gegeben, den er mir vorgesetzthat. Die Adresslisten waren in der Zeitung versteckt, Ihre Visitenkarte habe ich leider nicht

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