Grote, P
niedrig. Die Gebäude interessieren niemanden, nur die Immobilie – genauso wichtig sind die Reblagen.« So war es auch hier. Um die Weinstöcke kümmerte man sich, sie machten einen gesunden und gepflegten Eindruck.
Der wahre Fortschritt hingegen zeigte sich auf dem Parkplatz. Unter etlichen Rostschleudern, Trabis und Wartburgs stach mit seinem blendenden Weiß ein großer Mercedes ins Auge. Martin schmunzelte, es war ein Auto, um damit Paare zur Trauung zu fahren, aber nichts für den Weinberg. Da war jemand an richtig viel Geld gekommen, auf welchem Wege auch immer. Diese Kiste kostete bestimmt ihre siebzigtausend. Neben den anderen bescheidenen Fahrzeugen wirkte sie geradezu anstößig.
Martin stellte seinen Kombi an den Rand des Platzes, so konnte er möglichst schnell verschwinden. Der Professor hatte ihm ausrichten lassen, dass er bis siebzehn Uhr warten würde. Also war noch eine halbe Stunde Zeit. Martin ging die Stufen hinauf, trat durch eine Glastür in eine menschenleere Halle und wandte sich der Treppe zu.
Von der Balustrade im ersten Stock schallten Männerstimmen, mehrere Personen redeten heftig durcheinander, dem ruppigen Ton nach war es kein freundschaftliches Gespräch, aber das war Martin inzwischen gewohnt. Gerade als er hinaufgehen wollte, setzte sich die Gruppe in Bewegung und kam herunter. Elektrisiert blieb er stehen – eine der Stimmen meinte er zu kennen, obwohl er Elmar Harms noch nie hatte Rumänisch sprechen hören. Ja, er war es, ohne Zweifel. Da kam der Überbringer der Namensliste und des Zodiac.
Martin drehte sich den Schaukästen mit Fotos von Weinstöcken zu, an denen Schäden durch Rebläuse und Traubenwickler dokumentiert waren.
Harms, der sich in der Scheibe des Schaukastens spiegelte, ging dicht hinter Martin vorbei. Der Deutsche schien ärgerlich zu sein. Das Gespräch schien ihn und seine Gesprächspartner nicht befriedigt zu haben, trotzdem geleiteten sie ihn durch die Halle und blieben draußen auf der Freitreppe stehen. Der Professor war nicht darunter, dazu waren die Männer zu jung. Er musste mindestens Anfang bis Mittesechzig sein, wenn er seit vierzig Jahren hier forschte und Studenten ausbildete.
Martin überlegte fieberhaft, was zu tun war. Seine Verabredung hier war unter Vorbehalt getroffen worden. »Wenn ich es schaffe«, hatte er gesagt. Er könnte also morgen wiederkommen. Jetzt war Harms wichtig, aber Martin entschied sich dagegen, ihn anzusprechen. Was hatte er hier überhaupt zu suchen? Stand die Adresse der Forschungsanstalt nicht auch auf der Liste? Er würde Harms folgen. Er ging zur Tür und blieb im Schatten stehen. Man sah ihn nicht, die beiden Rumänen kamen zurück und liefen an ihm vorbei, während Harms über den Parkplatz ging. An dem auffälligen Mercedes blinkten die Vorder- und Rücklichter auf, also war es sein Wagen. Erst jetzt fiel Martin auf, dass der Wagen ein rumänisches Kennzeichen trug.
Geduckt lief Martin zu seinem Wagen. Der Kombi sprang wie immer sofort an, und er folgte dem Mercedes im nötigen Abstand. Die weiße Farbe war ein leuchtendes Signal, sein schmutziger Wagen hingegen war unauffällig. Es war die Frage, wie aufmerksam Harms war, wie oft er in den Rückspiegel sehen würde, bevor er den Verfolger entdeckte.
Zu Martins Erstaunen bog der Mercedes an der Landstraße nicht in Richtung Ploieşti ab, sondern wandte sich nach links, die nächste größere Stadt war Buzău. Auf der wenig befahrenen Straße würde er auffallen, daher entschloss er sich, Harms zu überholen, obwohl der ziemlich schnell fuhr, und sich vor ihn zu setzen. Wer vermutet seinen Verfolger schon vor sich? Das Manöver klappte, es verlangte von Martin höchste Konzentration, mit einem Auge auf der Straße vor ihm zu bleiben und mit dem anderen im Rückspiegel. Glücklicherweise war Harms’ Auto so auffällig, dass es wenig Mühe bereitete.
Plötzlich war der Mercedes verschwunden. Das zwang Martin zur Notbremsung. Er fand ihn rasch wieder, Harmswar abgebogen und fuhr auf einer Allee nach Norden auf die Hügel von Dealu Mare zu. Martin wendete und raste hinterher. Den Namen auf dem Wegweiser an der Kreuzung hatte er nicht lesen können, er würde sich jedoch an die Ecke erinnern können, denn hinter der Bushaltestelle lag ein umgekippter Leiterwagen, die Sprossen standen wie ein abgefressenes Gerippe nach oben.
Ein kurzer Schauder erfasste Martin, aber er hatte keine Zeit, sich irgendwelchen blödsinnigen Ahnungen zu widmen. Harms fuhr schnell
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