Grote, P
könnten. Dafür aber einen sozialen Verfall, dessen Folgen unabsehbar sind.«
Menschen wie Sofia, wie Teubner und Lucien wären für den Wandel geeignet, dachte Martin, nur leider hatten Menschen wie Tudor Dragos und Ana Cristina das Sagen, und Verrückte wie dieser Gigi Becali und die Ex-Securitate-Agenten. »Die werden sich die Macht auch nicht aus den Händen nehmen lassen«, sagte Martin laut.
»Wen meinen Sie mit
die?
«, fragte der Manager.
Martin erklärte es ihm.
Der Manager stimmte ihm zu. »Die soziale Spaltung ist erschreckend, ein Teil der Bevölkerung fällt in tiefste Armut, der andere verbraucht das, was er sich ergaunert hat. Und überall entsteht der Wunsch nach einfachen Lösungen und nach dem starken Mann, einem Führer. Wir Briten und ihr Deutsche wissen leider zu gut, was das heißt.«
Zur Verkostung der Weine fuhren sie zurück auf eines der Güter in Stadtnähe, nicht weit entfernt von den am Morgen besichtigten Weingärten. Martin hatte vorgehabt, heute noch an der Forschungsstation vorbeizuschauen und den Professor aufzusuchen, der ihm in Bezug auf den Zodiac weiterhelfen sollte, aber das konnte er für heute in den Wind schreiben. Jetzt waren wieder seine Nase und sein Gaumen gefragt. Bis auf den Bysuntium, eine Assemblage aus Gewürztraminer, Fetească Regală und Grauburgunder, waren die Weißweine nicht so dicht und schwer wie das, was er in anderen Regionen probiert hatte, doch auch hier empfand er sie als unausgewogen, wieder fehlte etwas Säure, denn erst sie machte den Wein lebendig. Der Chardonnay, ein Teil war im Barrique ausgebaut, war untypisch für die Rebe und grasig. Die Rotweine jedoch überzeugten ihn sofort. Sie zeigten, dass er auf der richtigen Fährte war! Wenn man von dem sehr kommerziell gemachten Rosso de Walachia mal absah, waren die anderen Weine richtig gut, sogar der aus der kapriziösen Traube Pinot Noir. Hier zeigte sich bereits die Kunst, eine, die der der Erfinder des Zodiac nahekam.
Dieser Zodiac hatte es Martin angetan. Was hatte es mit diesem verfluchten Wein auf sich? Er machte ihn mürbe, brachte ihn vom Weg ab, und gleichzeitig hielt er ihn unter Spannung. Nach dieser Probe war er noch überzeugter, dass nur Dealu Mare als Ursprungsgebiet infrage kam. Jeder Zweifel war ausgeschlossen. Und es erschreckte ihn, dass er geradezu danach fieberte, sein Urteil bestätigt zu sehen. Gleichzeitig fragte er sich, ob er Coulange beziehungsweise der SISA überhaupt das Geheimnis verraten sollte.
Seine nächste Sorge war ganz akut. Er musste Simion abschütteln, er wollte ihn auf keinen Fall mit zur Forschungsanstalt nehmen. Bei den offiziellen Besuchen auf Weingütern störte er nicht, meist verhielt er sich kooperativ, hielt sich im Hintergrund und stellte keine blöden Fragen.Ansonsten wurde er ihm lästig, und sein undurchsichtiges Getue ging ihm auf die Nerven.
Die Chance, ihn loszuwerden, ergab sich wie von selbst. Manchmal sind die kompliziertesten Dinge am einfachsten und umgekehrt, dachte Martin erleichtert und ließ Simion in den Wagen des Mitarbeiters der Kellerei einsteigen, der vorausfahren und ihm den Weg zurück ins Hotel zeigen wollte. »Ich finde den Weg allein, ich komme nach, ich will mir in dem Einkaufszentrum, an dem wir vorbeigekommen sind, das Weinangebot ansehen. Bis später.«
Martin stieg in den Wagen, fuhr eine Weile hinterher, ließ sich unauffällig zurückfallen und wendete, als er außer Sicht war. Dann fuhr er in die entgegengesetzte Richtung. Am Fuß des Höhenzugs lagen zwei Güter, die er morgen und übermorgen besuchen wollte, und dort war auch das Forschungsinstitut von Urlaţi. Am Ortsausgang begannen die Weingärten, und kurz dahinter wies ein Schild den Weg zum Institut.
Der Gebäudekomplex war nicht zu verfehlen, von Weitem sah er die hohen Gärtanks, aber sie wirkten stumpf, alt und wenig benutzt. Im Pförtnerhäuschen standen zwar Blumen hinter den Glasscheiben, doch statt in Tontöpfen wuchsen sie in Blechdosen. Im Plattenweg zu den Gebäuden aus den Sechzigerjahren spross Unkraut, die Glasscheiben der Halle zur Rechten waren blind oder gesprungenen oder beides. Metalltore rosteten vor sich hin, das Gras zwischen den Gebäuden war seit dem Winter nicht gemäht worden. Es bestätigte sich wieder einmal, was Lucien gesagt hatte: »Der Staat lässt alles verkommen, unser Land wird ausgeschlachtet wie das Wrack eines Schiffes. Die Forschung wird ausgeblutet, dann ist der Preis bei der anschließenden Privatisierung
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