Grote, P
konnte sie anrufen, statt auf ihren Anruf warten zu müssen, und ab morgen würde er Simion los sein. Lediglich der Zwischenaufenthalt in Bukarest stand ihm bevor, und das trübte sein plötzliches Hochgefühl.
Der Boden war gut fest, und federnd, er war in den letzten Tagen getrocknet, hier hatte es bei Weitem nicht so viel geregnet wie in Transsilvanien und im Osten. Der Boden war so, wie er es von den Weinen her vermutet hatte, nicht so fett, humusreich und durchlässig. Hier ließen sich bei entsprechender Sorgfalt bestimmt große Weine machen – so große wie ein Zodiac? Bei entsprechend alten Reben und einem Künstler als Kellermeister durchaus.
Als er die Weide unter den neugierigen Blicken der Pferde passiert hatte, stieß Martin auf einen breiten Streifen verwahrloster Reblagen. Überall wuchs Unkraut, sämtliche Wege waren zugewachsen, nur auf den schmalen Wildwechseln hatten Rehe, Hasen und Füchse ihre Spuren im Erdreich hinterlassen. Die Weinstöcke hatten ein beträchtliches Alter erreicht, aber sie waren leider sich selbst überlassen worden. Lange Triebe streckten sich über den Boden, die Spanndrähte, an denen sie sich halten konnten, waren verrostet, andere abgerissen oder hingen durch, die Stützpfeiler aus Beton waren gebrochen und die aus Holz verwittert. An den Rebschnitt hatte in den letzten Wintern niemand mehr gedacht. Es war eine Brutstätte für Pilze und Schädlinge. Ob es sich um Hybridsorten handelte, um die kleinen Weingärten der Bauern des nahen Dorfes, denen die Mittel fehlten, ihren Besitz in Ordnung zu halten? Oder warteten diese Immobilien noch auf ihre Rückgabe? Das Land hier war interessant, Martin würde morgen den Anwalt des Grafen danach fragen.
Der erste Kilometer war immer der anstrengendste, es dauerte auch geraume Zeit, die Gedanken hinter sich zu lassen, ihnen wegzulaufen, den Bruchteil einer Sekunde schneller zu werden als der eigene Schatten. Kurz bevor Martin dieses Stadium erreicht hatte, die Rotoren der Windräder im Blick, war da plötzlich ein Zaun. Martin kannte Mauern zwischen den Weingütern, in Margaux und Pauillac, drüben, wie man in Saint-Émilion sagte, auf der anderen Seite der Gironde, da war das üblich – aber auf einen Zaun war er noch nirgends gestoßen.
Er hatte geglaubt, dass der Weg, auf dem er kaum merklich bergan lief, sich vor den hohen Rebzeilen rechts oder links fortsetzen würde, aber er endete an diesem Zaun. Die ersten beiden Rebzeilen des hier beginnenden Weingartens waren frei, die dritte war so eng und straff verspannt, dass man unmöglich durchkam, außer man bog mit Gewalt dieDrähte auseinander, brach Triebe ab oder nahm eine Drahtschere.
Irgendwann würde der Zaun enden, und Martin wandte sich nach rechts, denn links kam er der Allee zu nahe. Dieses Gelände erschien ihm merkwürdig, er bemerkte von hohen Neuanlagen eingefasste und überragte uralte Weinstöcke, so verdreht wie ausgewrungene Handtücher. Martin hätte gern gewusst, welche Rebsorte drüben wuchs, aber dazu musste er den Zaun überwinden. Ein beträchtliches Stück weiter ergab sich die Gelegenheit, denn in jedem Zaun war irgendwo ein Loch. Als er hindurchkroch, blieb er stecken, die Drähte waren sehr eng gespannt. Er fühlte eine kurze Panik, und es erfasste ihn das unheimliche Gefühl, eine Grenze überschritten zu haben. Er stand auf, blickte zurück, dann betrachtete er den Boden, er hatte den Eindruck, dass die Spuren innen am Zaun entlangführten und nicht in die von ihm eingeschlagene Richtung.
Nirgends ließ sich jemand blicken. Wer sollte ihn daran hindern, weiterzulaufen? Er folgte einem selten benutzten Pfad bis zu einer dieser alten Lagen.
Vieille vigne
nannte man sie in Frankreich, ihre Weine waren wegen des hohen Extrakts und der intensiven Aromen sehr geschätzt. Die Stöcke hier waren sicher fünfzig Jahre alt und älter. Martin bückte sich nach einem Blatt, brach es ab und fühlte sofort, dass es Merlot war. Es war seine Rebsorte, davon hatte er dreißigtausend Stöcke, und er kannte sie alle. Die jungen Blätter waren drei- bis fünflappig, die Bucht, wo der Stiel ansetzte, war herzförmig und die Zähnung unregelmäßig. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn er nebenan Cabernet Sauvignon gefunden hätte, und so war es. Die Triebspitzen dieser Rebe waren wollig behaart und rötlich gefärbt. Das Blatt wies grundsätzlich fünf Lappen auf, war tief eingeschnitten, Zähne kamen in den Buchten, die sich innen erweiterten, sehr selten vor. Das
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