Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
Vom Netzwerk:
der hinteren rechten Ecke unter einer Laterne befestigt, so fiel auch das Verbindungskabel nicht auf.
    In dem Moment, wo er sie sah, schwand der letzte Zweifel, dass Sofia absichtlich überfahren worden war, es warMord gewesen, kaltblütig und auf Befehl. Die Gewissheit hatte sich auf ihn gestürzt, ihn erfasst, und sie bewegte ihn so heftig, dass ihm schlecht wurde. Der Gedanke, dass er womöglich den Anlass für den Mord gegeben hatte, sicher nicht den Grund, war unerträglich. Wie sollte er bei dieser Gewissheit hier so weitermachen wie zuvor? Er verspielte Vertrauen, nicht nur das von Lucien. Auch Teubner hatte sich von ihm abgewandt, und er war auf die Show von diesem Flittchen, Ana Cristina, reingefallen. Wie viele Fehler musste man machen, bevor man das Richtige tat? Er musste Lucien anrufen, auch auf die Gefahr hin, abgewiesen zu werden, er musste wissen, wie es Miriam ging, der kleinen Dozentin aus Iaşi. Hier wurden schon die zaghaften Ansätze zu einer Zivilgesellschaft erstickt. Die Befehlshaber der ehemaligen Diktatur ließen sich die Macht nicht nehmen, sie wussten, wie man einem Volk die Luft abdrückte. Die Macht fragte nicht nach Kommunismus, Diktatur oder Demokratie.
    Der Auftraggeber für den Mord an Sofia tafelte möglicherweise in Gesellschaft seiner Bande, fürchtete Martin. Im Grunde war das eine kriminelle Vereinigung – da gegenüber in dem Restaurant. Oder war Dragos ein kleiner Fisch und nicht der Auftraggeber? Wer in dieser Gruppe machte die Ansagen, wer hatte die Macht? Meistens der Ruhigste, der sich am souveränsten gab und es auch war. Das war nicht Dragos gewesen, der hatte geschwatzt, auf Schultern geklopft, Küsschen verteilt, und das taten die Mächtigen nicht, nur ihre Lakaien.
    Martin erinnerte sich an den Mann, der die Gruppe angeführt hatte, einer mit schnellen Augen. Wenn er hineinging und ihm einen der Knüppel auf den Kopf schlüge, die hier haufenweise herumlagen, wem war damit geholfen? Sofia wurde davon nicht lebendig, und das bei ihrem Bruder verlorene Vertrauen ließ sich dadurch nicht wiederherstellen. Im Übrigen würde er nie an den Boss herankommen, er wäre bereits drei Meter vor ihm ein toter Mann. Man musssie dazu bringen, dass sie sich gegenseitig auffressen, dachte Martin. Man muss etwas in ihre Mitte werfen, damit sie sich gierig darauf stürzen und nicht mehr daran denken, in was sie ihre Zähne schlagen. Was könnte das sein? Da kam eigentlich nur Geld infrage.
    Dieser Ort hier war ein Treffpunkt, denn als Martin sich weiter umsah und einen Zugang zum Weingut suchte, entdeckte er zwei weitere Kameras. Ihm kam die Idee, einen Plan zu zeichnen und die Kamerapositionen einzutragen, um einen toten Winkel ausfindig zu machen – nur wozu der Aufwand? Er sollte den Zodiac vergessen, Harms und Dragos vergessen und den Exportleiter vor dem Rückflug in Bukarest aufsuchen. Doch auch das war bereits zu viel. Aber das Gewissen sperrte sich gegen das Vergessen, die Tür zur Vergangenheit ließ sich nicht schließen, er schämte sich vor Lucien und Teubner, er wollte ihr Vertrauen zurückgewinnen.
    »Ihre tägliche Extratour haben Sie bereits ausgekostet?«, meinte Simion anzüglich, als Martin ihm mit einer Verbeugung den Wagenschlag öffnete. »Sind noch weitere Ausflüge geplant?«
    »Ich will in Drăgăşani nur zur Bank, ich brauche Bargeld.«
    »Was haben Sie vor? Bargeld braucht man nur, wenn man altmodisch ist, Schwarzgeld verteilt oder vermeiden will, elektronische Spuren zu hinterlassen.«
    »Was Sie nicht sagen.«
     
    Das neue Hotel war eine Jugendstilvilla am Rand des Stadtzentrums. Sie hatten große Zimmer im Hochparterre bezogen, die hohe Decken mit Stuck hatten und mit englisch wirkenden Ikea-Möbeln vollgestellt waren. Martin sah sich nach einem Versteck für sein Bündel Euro- und Leischeine um. Wo würde ein erfahrenes Zimmermädchen normalerweise nicht suchen? An ekligen oder gefährlichen Orten –zuerst fiel ihm das Klo ein. Da sah er die Steckdose. Er schraubte sie mit dem Taschenmesser auf. Das Loch dahinter erwies sich als zu klein. Das Loch hinter dem Lichtschalter hingegen war groß genug. Anschließend vervollständigte Martin seinen Bericht über den Besuch beim französischen Grafen, wie bisher unter Weglassen aller Ereignisse, die Coulange nichts angingen. Die vollständige Version jedoch schickte er an eine Adresse, die Sichel ihm genannt hatte, die aber nicht mit ihm in Verbindung stand. Als er Simion zum Essen abholen wollte, erfuhr

Weitere Kostenlose Bücher