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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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den Bus nach Braşov. Das war bereits in Siebenbürgen, dort würden viele seine Sprache sprechen. Im Bus konnte er schlafen und kam gleichzeitig voran. Er war zum ersten Mal in seinem Leben auf der Flucht.

26
    Er wachte auf, als das Blaulicht des Polizeiwagens neben dem Bus aufblitzte. Martin sah den Uniformarm mit der Kelle zum Fenster herauskommen, der Wagen setzte sich vor den Bus und zwang ihn am Straßenrand zum Halten. Jetzt ist alles vorbei. Ihm brach der Schweiß aus.
    Hier komme ich niemals raus, die Flucht ist so schnell zu Ende, wie sie begonnen hat. Wie kindisch von mir, dass ich mir in diesem Land eine Chance ausrechne. Nein, gerechnet habe ich nicht, nur gehandelt, um mich zu retten. Mich zu stellen und auf Gerechtigkeit zu vertrauen käme einem Selbstmord gleich. Bei der Verhaftung in der Öffentlichkeit kann ich wenigstens hoffen, am Leben zu bleiben.
    Er hatte gehört, dass man in solchen Situationen laut seinen Namen rufen sollte. So konnten mögliche Zeugen, und hier, im voll besetzten Autobus, gab es viele, eine Zeitung oder eine Botschaft verständigen, damit er nicht spurlos verschwand. Besser war die französische, der deutschen war in politischen Fragen, und besonders, wenn es um die sogenannten Verbündeten aus Nordamerika ging, nicht zu trauen. Er würde auf Englisch und Deutsch rufen: »Ich heiße Martin Bongers, rufen Sie die französische Botschaft an! Ich heiße Martin . . .«, bis sie ihn zum Schweigen bringen würden.
    Die Fahrertür schwang auf, die Mitteltür ebenfalls, dort blieb ein Polizist stehen, der andere kam vorn herein. Erhielt einen Zettel in der Hand, blickte darauf und dann den Fahrgästen ins Gesicht. Ein Steckbrief? Martin überlegte, ob er sich schlafend stellen sollte, die rumänische Zeitung, die er zur Tarnung auf dem Schoß liegen hatte, konnte er übers Gesicht legen. Sein Sitznachbar sagte etwas zu ihm, was Martin natürlich nicht verstand, trotzdem stimmte er brummend zu.
    Der Polizist erreichte die Sitzreihe vor ihm, als Martin sich an die Pistole erinnerte, ein schauderhafter Gedanke. Er hatte keine Möglichkeit gefunden, sie loszuwerden. Sie steckte unten im Rucksack. Schlimmer konnte es nicht sein, alles war aus, zweifachen Mord würden sie ihm anhängen, er würde in einem der lausigen rumänischen Gefängnisse enden, da kam er niemals raus, sein Leben lang nicht – oder praktizierten sie hier noch die Todesstrafe? Wohl kaum, sonst wären sie nicht in der EU.   Dann würden sie ihn schon eher an die USA ausliefern? Die würden ihn auf jeden Fall umbringen. Alles wies darauf hin, dass er, und nicht Brzezinzki, ihren Agenten erschossen hatte.
    Der Polizist blieb stehen und verlangte von dem jungen Burschen vor ihm die Papiere. Ein Ablenkungsmanöver? Gab es noch einen verdeckten Ermittler im Bus? Ein scharfer Wortwechsel folgte, dann zogen die Polizisten den Jungen aus der Sitzreihe und brachten ihn nach draußen. Er wehrte sich nicht. Martin sah seinen Nebenmann an, aber der war vom Geschehen total gefangen.
    Als sie nach Braşov gelangten, war seine Spannung nicht gewichen, sein Herzschlag wurde schneller, als Martin die Polizisten sah, wie sie am Bus aus Ploieşti Reisende kontrollierten. Also suchten sie weiter nach ihm. Er verkrümelte sich in eine rauchige Kneipe mit blinden Scheiben und schmierigen Tischen, von wo aus er die Ankunft und Abfahrt der Busse beobachtete. Er musste nach Norden, über die ungarische Grenze, das war seine einzige Chance. Er wollte nicht in die Ukraine oder durch die Donau schwimmen,um dann in Serbien anzukommen. Von Ungarn kam er sicher leichter nach Frankreich. Dort würde ihn niemand ausliefern. Es war nur gut, dass er auf seiner Tour statt eines Navigationsgeräts die bewährten Landkarten benutzt hatte, denn nur so hatte er sich das Land und die Lage der Städte ganz nebenbei einprägen können. Und über das Navi wurde man genauso geortet wie über das Mobiltelefon. Wer nur Befehlen gehorchte, auch denen aus dem Navigationsgerät, verdummte langsam, aber sicher.
    Es gab Busse, wie er erfahren hatte, die von Sibiu nach Budapest fuhren, aber die internationalen Busse würde man sowohl hier wie auch an der Grenze kontrollieren. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als von Stadt zu Stadt zu springen, möglichst häufig umzusteigen und die Transportmittel zu wechseln. Zumindest hatte er die leicht zu kontrollierenden Karpatenpässe hinter sich. Nur wie kam er aus diesem verdammten Braşov weg? Hoch über der Stadt, in

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