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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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eine Grundlage, wir werden gleich Ihr Spitzengewächs genießen. Ich habe einen Kollegen gebeten, Ihren Wein zu holen. Sie hatten recht. Es gibt da einen Roman von jemandem mit einer einmalig guten Nase . . .«
    Brzezinski konnte nur die Romanfigur Grenouille meinen.
    »Patrick Süskind hat ihn geschrieben, ich kenne mich mit deutscher Literatur gut aus. Besonders gern lese ich die Wende-Romane, besonders darüber, dass alle angeblich immer schon gegen Honecker, gegen den Sozialismus und das Regime waren. Aber zurück zu uns. Ihr Lieblingswein stammt tatsächlich aus unserem Hause, aus dieser Kellerei.«
    »So nennt man diese Orte jetzt – Kellerei? Entweder ist es eine Abhörstation oder ein Folterzentrum.«
    »Ihr Sinn für Humor ist noch intakt, das freut mich. Mit solchen Leuten macht die Zusammenarbeit Spaß.« Brzezinski lächelte nicht nur wie Granit, das kalte Blau seiner Augen konnte nur durch die Verfärbung des Gesteins durch einen blauen Quarz entstanden sein. »Ceauşescu hat uns nie gemocht, unser Kommunismus war ihm immer zu sozial. Außerdem war er Nationalist, er konnte die Niederlage des Zweiten Weltkriegs nicht verwinden und dass er auf der falschen Seite gestanden hatte. Aber sie sind alle ein wenig faschistisch hier. Nach dem Prager Frühling 1968 wuchs das Misstrauen, auch auf unserer Seite, und wir mussten die Bruderländer genauso beobachten wie den kapitalistischen Westen. Das haben wir getan. Ist doch verständlich, oder?«
    »Wahrscheinlich verraten Sie mir kein Geheimnis. Von hier aus? Veranstalten Sie deshalb das ganze Theater?«
    »Sie sind ziemlich zäh, Herr Bongers. Es gab auch wahre Kommunisten damals, die haben uns auf diesem Weingut Räume überlassen. Da haben wir Quartier bezogen und begonnen, Wein zu machen. Es gab seinerzeit einen deutschstämmigen Kellermeister, der hat uns sehr geholfen. Seine Familie lebte übrigens in Moskau.«
    »Als Geisel?« Martin erinnerte sich an das, was Teubner und der Professor angedeutet hatten.
    »Lösen Sie sich von Ihrer feindseligen Haltung, Herr Bongers. Bereits vergessen? Wir arbeiten von jetzt an zusammen. Sie tragen auch keine Fesseln mehr. Sie müssen essen, damit Sie zu Kräften kommen.«
    Brzezinski amüsierte sich darüber, wie vorsichtig Martin an dem Käse roch. Martin war sich sicher, dass sein verhasstes Gegenüber ihn jetzt genauso wenig ernst nahm wie zuvor, dass Kooperation als Vorwand diente. Was hatten sie mit ihm vor?
    »Dieser Kellermeister, ich glaube, er hieß irgendetwas mit Werner, der arbeitete dann für uns, er machte leider Weine, die so gut waren, dass unser Weingut berühmt geworden wäre, wir durften jedoch keinerlei Aufmerksamkeit erregen. Den Wein bekam nur ein ausgesuchter Personenkreis, und wie dieser Harms, von dem Sie sprachen, daran gekommen ist, werden wir noch klären.« Es klang wie eine Morddrohung. »Ah, da ist er, unser geliebter Zodiac.«
    Martin erkannte das in Schwarz und Weiß gehaltene Etikett auf Anhieb: das Tierkreiszeichen, darunter der Schriftzug und die Jahreszahl 1975.   Die Flasche war offen, der Mann, der sie brachte, hatte zusätzlich eine Dekantierkaraffe und zwei Gläser auf dem Tablett, er stellte alles vorsichtig auf den Tisch.
    Brzezinski goss den Wein mit größter Sorgfalt in die Karaffe, ließ ihn fast tropfenweise an der Innenseite herunterlaufen. Es war ein schöner Anblick, und Martin überkam eine entsetzliche Traurigkeit, eine Verzweiflung wie bei einem endgültigen Abschied. Er kämpfte gegen die Tränen. Sollte das ein Abschied von sich selbst sein? Wenn sie ihn nicht gebraucht hätten, hätten sie ihn ohne jedes Theater weggeworfen. Sie waren Geheimdienstleute und es war ihnen völlig egal, für wen sie arbeiten.
    Brzezinski füllte das Glas einen Fingerbreit und hielt es Martin hin. »Sie sind der Experte.«
    »Wollen Sie mich umbringen, mit Polonium 210, wie Ihren Agenten in London? Wozu haben Sie sich die Mühe gemacht und ihm radioaktiv verseuchten Wein gegeben? Zur Abschreckung? Zur Strafe? Damit er in ganz Europa eine radioaktive Spur hinterlässt? Nein, ich trinke den Wein nicht.«
    »Das ist die zweite Enttäuschung, die Sie mir bereiten, Herr Bongers. Das hätte ich nicht von Ihnen erwartet. Wofür halten Sie uns? Für Idioten und kaltblütige Killer? Soll ich einen Geigerzähler kommen lassen? Außerdem habe ich gesagt, dass wir Sie brauchen beziehungsweise von jetzt an kooperieren.«
    Brzezinski gab sich Mühe, ernsthaft ungehalten zu wirken. »Ich werde es

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