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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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der die Plattenbauten nicht so grausam wirkten wie in Bukarest, stand ihr Name in weißen Lettern – an einem Gerüst befestigt. Darauf hatten sich kürzlich zwei Wanderer vor Braunbären gerettet. Die Polizei hatte die Tiere vertrieben. Fußmärsche durch die Wälder schieden aus, bis auf den letzten über die grüne Grenze. Den musste er wirklich wagen. Es war die einzige Rettung.
    Da fiel ihm Grigore Constantinescu ein, Grigore, der Arbeiter aus der Billardkneipe in Castillon-la-Bataille. Wie besessen blätterte Martin in seinem Notizbuch. Von ihm hatte er niemandem erzählt, keinem Menschen, niemand wusste von dieser Verbindung, kein Lucien, kein Simion, und auch Brzezinski hatte er nichts gesagt – es sei denn, sie hatten in seiner Abwesenheit sein Hotelzimmer durchsucht. Aber weshalb hatten sie das Notizbuch liegen lassen? Bestimmt hatten sie es fotokopiert. Also musste er schnell sein, wenn sie alle Kontakte überprüften. Grigore musste ihm helfen. Da, seine Adresse, Baia Mare hieß die Stadt, in der seineFamilie wohnte, eine Telefonnummer gab es nicht, nur eine Straße mit Hausnummer. Er schrieb den Namen auf einen Zettel und machte sich zu Fuß auf den Weg zur Ausfallstraße nach Hermannstadt. Ein Taxi durfte er nicht benutzen, sich zu zeigen war verboten, einen Fußgänger in seinen billigen Klamotten würde man nicht wahrnehmen. Ruhe durfte er sich nicht gönnen, er musste sich schnell bewegen, schneller als sich die Nachricht von dem Doppelmord verbreitete, er hatte längst befürchtet, sein Fahndungsfoto auf dem Fernsehschirm der Kneipe zu sehen oder mindestens seinen Namen zu hören.
    Erst als er einem Lastwagenfahrer an der Tankstelle Geld bot, nahm der ihn mit, wohl ahnend, dass er jemanden ins Führerhaus ließ, der nicht offiziell reiste. Dafür musste man zahlen. War dem Fahrer zu trauen? Nein, aber Martin hatte keine Wahl, und der Fahrer stellte keine Fragen.
    Am Abend gelangte er nach Hermannstadt, gegen Mitternacht erreichte er auf einem anderen Lkw die Stadt Alba Iulia und schlief in der muffigen Baracke der Fahrer. Aber besser auf dieser Pritsche als in der Zelle, und je länger er unterwegs war, je weiter er das Grauen der letzten Tage hinter sich ließ, je weiter er sich von der Kellerei des Schreckens entfernte, desto mehr gewann die Hoffnung. Das größte Problem im Moment war das Wasser. Er konnte einen Arm darunterhalten, ein Bein, den Rücken nass machen, sein Gesäß, aber kaum fühlte er Wasser auf Brust, Kopf oder Schultern, sprang er keuchend aus der Duschkabine und bekam einen Erstickungsanfall. Das Zähneputzen war grauenvoll. Die Fahrer rissen ihre Witze über ihn, sicher war es besser, dass Martin sie nicht verstand. Schlimmer noch als die Dusche und die Frotzelei war der Blick ins Waschbecken. Die Angst vor dem ablaufenden Wasser schnürte Martin die Kehle zu. Er brauchte an diesem Morgen eine Stunde, um sich zu beruhigen. Ans Rasieren war nicht zu denken, aberdas war hilfreich, denn der Dreitagebart veränderte sein Aussehen.
    An dem Imbiss gegenüber der Fernfahrerunterkunft bekam er Kaffee und Brötchen. Er hätte zu gern Charlotte angerufen, aber er wagte es nicht, er war unsicher, ob sie ihn nicht doch orten könnten. Zumindest konnten Brzezinskis Freunde, wenn sie wussten, dass er aus Saint-Émilion kam, sein Telefon dort angezapft haben, oder sie hatten bereits Charlottes Rufnummer in Erfahrung gebracht. Er musste sich etwas einfallen lassen. Mit Geld bekam man vieles hin, und Geld hatte er genug – momentan jedenfalls. Er kaufte einem Fernfahrer das Mobiltelefon ab und ließ es mit dreißig Euro aufladen. Für den Betrag müsste er Charlotte eigentlich alles erzählen können. Sie musste ihn rausholen, sie und Jacques – oder auch Grivot? Aber an den Kommissar kam er nicht ran, der war immer mit irgendwelchen Sonderaufgaben in Paris beschäftigt. Das konnte nur Charlotte übernehmen. Gab es sie noch, die Fluchthelfer aus den Zeiten Ceauşescus? Oder waren sie längst deaktiviert? Wo konnte man sie finden? Nein, durch die Donau würde er nicht schwimmen – er würde in seinem Leben sowieso nie wieder ins Wasser gehen, außerdem kungelten die Serben mit den Russen. Bevor er mit dem nächsten Lastwagen weiterfuhr, legte er einem anderen Fahrer, der einen Transport nach Bukarest hatte, sein eingeschaltetes Mobiltelefon ins Führerhaus. Das war link, aber erst kam das eigene Leben, dann die Moral. Dem Fahrer würde niemand den Kopf abreißen, man würde höchstens

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