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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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können. Doch Martin hatte sich richtig entschieden, das merkte er bereits bei der Duftprobe. Der erste Schluck überzeugte ihn, dass der Kellermeister, Önologe oder Weinmacher des Prince Ştirbey sein Handwerk verstand. Den musste er unbedingt aufsuchen, und er fand auch die Adresse. Das Weingut lag in Drăgăşani am Ufer des Olt, wie er dem Internet entnahm. Dafür, dass er bei der Suche keine elektronischen Spuren hinterließ, die zu seiner wirklichen Identität nach Bordeaux führten, hatte die SISA auch gesorgt und ihm eine E-Mail -Adresse beschafft: [email protected]. Für die Homepage www.mbongersconsult.com hatten sie besonders viel Aufwand betrieben. »Da werden alle Gesprächspartner zuerst nachschauen«, hatte Coulange gemeint, »das habenSie bei uns ja auch getan.« Woher sie das wussten, war Martin schleierhaft.
    Ein guter Wein brachte ihn meistens auf gute Gedanken, und so war es auch mit diesem. Der Griff nach der unbekannten Flasche war richtig gewesen. Es war ein eleganter Wien, ein Bouquet von Äpfeln und Rosen, mit einem Hauch Muskat. Er war deutlich im Geschmack, aber gleichzeitig fein, das galt auch für Süße und Säure. Wenn alle Weine Rumäniens so wären, hätte sich die Reise gelohnt. Zumindest zeigte sich im Ansatz, dass am Ufer des Olt sehr gute Weißweine entstanden.
    Der mitgebrachte Rote stammte von einer anderen Kellerei: ein Pinot Noir, die Traube des Burgund, schwierig zu kultivieren, anfällig und kapriziös in der Handhabung. Beim Pinot Noir zeigte sich die Meisterschaft der Winzer – oder das Gegenteil, wie hier. Kaum dass er die Flasche geöffnet und daran geschnuppert hatte, goss er den Inhalt ins Waschbecken. Bretanomyces-Hefen! Es soll Menschen geben, die den pferdischen Geruch eines Weins besonders schätzen, dachte Martin voller Widerwillen und erinnerte sich an eine große Kellerei aus La Rioja, die das, was er als Gestank auffasste, zu ihrem Markenzeichen gemacht hatte. Ein Hochdruckreiniger und kochendes Wasser halfen da auch nicht weiter, er würde der Kellerei empfehlen, alle alten Fässer zu verbrennen.
    Er schrieb Charlotte einen Liebesbrief per E-Mail . Als er seine neue Postadresse abfragte, fand er ein Schreiben, mit dem er nichts anfangen konnte, weder mit dem Inhalt noch mit dem Absender. Der Text war auf Deutsch:
     
    Sehr geehrter Herr Bongers,
    wir freuen uns, mit Ihnen in Verbindung zu treten. Unser
    Mitarbeiter wird Sie in Constanţa ansprechen.
    Mit freundlichen Grüßen, Ihr
    Elmar Harms
     
    Eine Adresse fehlte, ebenso die Telefonnummer. Als er antwortete, dass man ihn verwechsle und er einen Elmar Harms nicht kenne, kam seine E-Mail prompt als unzustellbar zurück. Also doch ein Spam? Wer wollte da mit ihm Verbindung aufnehmen, und woher kannte man ihn? Constanţa jedenfalls existierte, es war Rumäniens größte Hafenstadt am Schwarzen Meer. In der Nähe lag Murfatlar, eines der größten Weingüter Rumäniens, wenn nicht das größte, ein ehemals volkseigener Betrieb. Es wäre interessant zu erfahren, dachte Martin, wie man nach dem Sozialismus in den Besitz derartiger Latifundien gelangte. Oder gehörten die längst den russischen Oligarchen?

5
    Er stand wie immer früh auf und lief zum Cişmigiu-Park, wo er seine Runden drehte. Kurz nach Sonnenaufgang war er als Einziger unterwegs, die Mode des Asphalt-Joggings hatte Bukarest nicht ergriffen, wer zu Fuß ging, zeigte seine Armut. Als er nach einigen Runden durch leere Straßenschluchten zum Hotel zurückkehrte, fragte er sich, wie er es den größten Teil seines Lebens in einer Großstadt hatte aushalten können. Martin erinnerte sich, dass er bereits in der Zeit seiner Freundschaft zu Gaston mit dem Landleben geliebäugelt hatte. Hier jedoch lief er auf schwarzem Asphalt um Müllsäcke zwischen grauen Häusern, sprang über Kanaldeckel, Ratten verschwanden im Gully, er sah zu den zugezogenen Fenstern hinauf, blinde Scheiben baufälliger Häuser, und wich im letzten Moment Verkehrsschildern aus. Dann kam eine Baugrube, in die ein Wagen gerutscht war, weil man sie nicht gekennzeichnet oder jemand die Warnschilder geklaut hatte. Er dachte an den Film ›Lola rennt‹, den er in einem Off-Kino von Bordeaux gesehen hatte, ebenso schnell liefen die Bilder der Stadt an ihm vorbei. Bukarest raste, hetzte, deprimierte ihn, er verstand die Stadt nicht, sie blieb ihm fremd, und er fühlte sich sogar in seiner Rolle als vorübergehender Besucher fehl am Platz. Dann erreichte er sein Hotel

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